Hatoyama trat sein Amt als Premier an. | Neuausrichtung der Wirtschaftpolitik. | Tokio. Japan hat den größten politischen Umbruch seiner Nachkriegsgeschichte vollzogen: Am Mittwoch trat Yukio Hatoyama sein Amt als neuer Ministerpräsident an. "Meine Gefühle schwanken zwischen der Begeisterung, die Geschichte zu verändern - und der sehr großen Verantwortung, sie zu machen" sagte der 62-Jährige nach seiner Bestätigung im Parlament. Mit der Regierungsübernahme seiner Demokratischen Partei (DPJ) endete die Ära der seit 54 Jahren fast ununterbrochen regierenden konservativen Liberaldemokraten (LDP).
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Die neue Dreierkoalition aus DPJ, Sozialdemokraten und der Neuen Volkspartei hat sich eine grundlegende politische Neuausrichtung auf ihre Fahnen geschrieben. Vor allen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik kündigte Hatoyama einen kräftigen Kurswechsel an. "Japan muss ein Land werden, in dem das Volk das Sagen hat", erklärte er. "Jetzt ist die Zeit gekommen, das bürokratische System durch etwas Neues zu ersetzen." Seine Regierung will den Beamten die Macht über die Staatsfinanzen entreißen, die Binnennachfrage durch geringere Abgaben und höhere Sozialleistungen stärken und dadurch die Wirtschaft weniger abhängig vom Export machen. Die Märkte zeigten sich davon wenig überzeugt: Der Yen zog an, Bankentitel fielen.
Hatoyamas größte Herausforderung liegt darin, beim Herumreißen des Ruders die schwache konjunkturelle Erholung nicht zu gefährden. Japans Wirtschaft wächst zwar seit April wieder, aber nur schwach, Arbeitslosigkeit und Deflation sind auf Rekordwerte gestiegen. Das Land ächzt unter einem Schuldenberg, der doppelt so hoch ist wie seine jährliche Wirtschaftsleistung. Doch für neue Sozialausgaben wie ein Kindergeld und Zuschüsse für Weiterbildung braucht die Regierung allein im ersten Regierungsjahr zusätzliche sieben Billionen Yen (53 Milliarden Euro). "Dieses Geld haben wir schon zusammen", versicherte der neue Premier. Dafür wird das im Frühsommer verabschiedete Konjunkturpaket aufgeschnürt. Für überflüssig gehaltene Projekte wie ein Manga-Museum (das sein Vorgänger und Fan der japanischen Comic-Kultur, Taro Aso, initiierte) sollen gestrichen werden.
Als Garanten für solide Staatsfinanzen hat Hatoyama Hirohisa Fujii zum Finanzminister berufen. Der 77-Jährige hatte dieses Amt schon 1993/94 inne, als die LDP kurz auf der Oppositionsbank saß. Er leitete längere Zeit auch die Budgetabteilung im Finanzressort. Fujii lehnt eine ausufernde Neuverschuldung ab und plädiert für eine Anhebung der Umsatzsteuer. Er hat sich zudem gegen vorschnelle Eingriffe am Devisenmarkt ausgesprochen.
Die Postprivatisierungwird gestoppt
Stärkster Mann im Kabinett ist Strategieminister und Vizepremier Naoto Kan, Mitgründer und zweimaliger Ex-Chef der DPJ. Sein neu einzurichtendes Nationales Strategiebüro soll künftig politische Prioritäten und Ziele festlegen und dadurch die Entscheidungsgewalt von den Ministerialbeamten zu den Politikern verlagern. Ansonsten steht vor allem der Rückbau vieler Strukturreformen aus der Ära von Premier Junichiro Koizumi auf der Agenda. Damals wurden die Arbeitsgesetze liberalisiert, doch Hatoyama möchte die Zeit- und Vertragsarbeit im produzierenden Gewerbe verbieten und den Mindeststundenlohn anheben. Die Privatisierung der Post - das Herzstück der Koizumi-Reformen - wird gestoppt. Auch strengere Klimaziele dürften die Unternehmen belasten.
Für Klima-Verhandlungen auf internationaler Ebene wird Außenminister Katsuya Okada (DPJ) zuständig sein - ebenso wie für die geplante Aussöhnung mit China.