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Japans sexuelle Diskriminierung

Von WZ-Korrespondent Felix Lill

Politik

Als einziges G7-Land verbietet Japan die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare.


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Der Premierminister sah sich zu einer deutlichen Erklärung genötigt: "Diese Aussagen stehen im totalen Widerspruch zur Politik der Regierung", erklärte Fumio Kishida am Montag. "Es ist bedauerlich, dass dies zu einem Missverständnis mit der Öffentlichkeit geführt hat. Und es tut mir leid für alle, die sich durch die Äußerungen unwohl gefühlt haben." Denn Homophobie, betonte Kishida, sei überhaupt nicht die Sicht seiner Regierung, die doch für Diversität und Respekt stehe.

Wobei dieser Tage unklar ist, wer wirklich für diese Werte steht. In Japans Öffentlichkeit herrscht Aufregung über eine Bemerkung, die vor kurzem ein Vertrauter des Premierministers gemacht hat. Masayoshi Arai, enger Mitarbeiter Kishidas, hatte erklärt, er wolle keine gleichgeschlechtlichen Paare als Nachbarn haben. Indem Kishida am Samstag Arai entlassen hat, ist das Thema auch nicht erledigt. Arai hatte nämlich auch behauptet, dass es den meisten Personen des Kabinetts so gehe wie ihm.

"Es ist beschämend, dass die japanische Regierung, Vorsitzende der G7, so veraltete Vorstellungen zu Themen in Bezug auf LGBT und gleichgeschlechtliche Ehen hat", erklärte Jun Azumi, ein führender Vertreter der oppositionellen Konstitutionell-Demokratischen Partei. Laut mehreren Umfragen befürwortet eine Mehrheit der Bürger, dass die Ehe für alle legalisiert wird.

"Mit großer Vorsicht behandeln"

Tatsächlich ist Japan der einzige G7-Staat, der keine gleichgeschlechtliche Ehe anerkennt. Was schon länger für Diskussionen im Land sorgt, fällt gerade in diesem Jahr auf, da Japan mit Anfang Jänner den G7-Vorsitz übernommen hat. Im Mai lädt Kishida nach Hiroshima zum Gipfel der Regierungschefs.

Bisher bleibt Kishida seine Ankündigung schuldig, eine Gesellschaft zu prägen, in der alle Menschen friedlich und inklusiv miteinander leben können. "Wir sollten dieses Thema mit großer Vorsicht behandeln", warnte der Konservative im Parlament zur Ehe für alle, da ansonsten die Gesellschaft verändert würde. Änderungen sind jedoch bereits in Gang: Ende 2022 entschied ein Tokioter Gericht, dass ein Verbot der Homo-Ehe verfassungswidrig ist. Die Hauptstadt stellt mittlerweile Urkunden aus, die homosexuelle Paare bei bestimmten öffentlichen Diensten mit heterosexuellen Ehen gleichstellt.

Bei der Aufregung über Äußerungen eines Mitarbeiters geht es für Fumio Kishida aber längst nicht nur um den Vergleich mit anderen Staaten. Es geht auch um seinen Stand im eigenen Land. Die Zustimmungswerte des seit Oktober 2021 regierenden Konservativen sind schon länger derart gering, dass Spekulationen über ein nahendes Ende seiner Regentschaft naheliegen. Nur rund 33 Prozent der Befragten sind zufrieden mit der Arbeit des Kabinetts Kishida.

Der 65-jährige hat mit diversen Krisen zu kämpfen, bei denen er selbst zwar stets bemüht, aber oft auch unglücklich aussieht. Im Juli 2022 wurde Ex-Premier Shinzo Abe auf offener Straße erschossen. Der Attentäter tötete Abe wegen dessen Kontakt zu einer Sekte namens Touitsu kyoukai (Vereinigungskirche). Diese sei für den finanziellen Ruin der Mutter des Mörders verantwortlich gewesen. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass rund die Hälfte der Abgeordneten der regierenden Liberaldemokratischen Partei Kontakt zu dieser Sekte hielten.

Zusätzlich kontrovers ist Kishidas Vorhaben, die beschlossene historische Aufrüstung des Militärs durch höhere Steuern zu finanzieren. Inmitten seit Jahrzehnten stagnierender Lohnniveaus und nun auch hoher Inflation sehen viele Menschen hierin eine ungerechte Belastung.