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Japans Wirtschaft erfindet sich neu

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Ein "verlorenes Jahrzehnt" brachte neue Nischen. | Österreich könnte bei Qualität und Umwelt punkten. | Rezessionsgefahr zwingt Japans Politik zum Handeln. | Wien. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Vor allem, wenn es darum geht, heimische Produkte asiatischen Konsumenten schmackhaft zu machen. So trinken Japaner laut Marktforschern etwa gerne Rhabarbersaft und mögen Frischkäse mit Zitronenaroma. Lokale Geschmäcker sollten berücksichtigt werden, wenn österreichische Unternehmen in den japanischen Markt einsteigen.


Wenn es überhaupt Japan wird. Denn wer nach Asien expandiert, denkt in letzter Zeit wohl eher an die Billigfabriken China und Indien. Japan, das Anfang der 80-er Jahre noch als Inbegriff für innovative Technologie und als Motor der Weltkonjunktur galt, steht im Schatten des großen Nachbarn China. Die Gründe: Während der Riesenmarkt China mit billigen Produktionsmöglichkeiten und Arbeitskräften Investoren anlockt, versucht Japan sich von einem "verlorenen Jahrzehnt" zu erholen. In den 1990-ern brach das Wirtschaftswachstum nach dem Platzen der Immobilienblase ein, Japan geriet in eine Deflationsspirale.

Angetrieben vom Wachstum in den Schwellenländern und einer schwache Yen-Währung erlebte Japan in den letzten sechs Jahren zwar den längsten Aufschwung der Nachkriegsgeschichte. Doch die Krise ist nicht ausgestanden.

Lebenslang war einmal

Japan zählt zu den meist verschuldeten Industrieländern. Die japanische Regierung feilt aktuell an einem Konjunkturpaket, um die Rezessionsgefahr zu bekämpfen. Bis 2012 soll ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden.

Im internationalen Blickfeld haftet am Inselstaat noch heute das Bild der Wirtschaftslandschaft der 90-er Jahre: Mit lebenslanger Anstellung in einem Betrieb und staatseigenen Unternehmensgruppen, die vom Hersteller bis zum Lieferanten alles unter einem Dach kontrollieren - finanziert von der eigenen Hausbank.

"Dieses Bild entspricht nicht mehr ganz der Realität", sagt Barbara Fuchs, Japan-Expertin an der Wirtschaftsuniversität Wien. In den letzten Jahren habe eine Industriebereinigung statt gefunden, ein privater Sektor sei entstanden. "Viele Klein- und Mittelbetriebe sind als ehemalige Zulieferer der Großunternehmen den Firmenumstrukturierungen zum Opfer gefallen. Sie benötigen nun neue Technologien, Ausrüstungen und Investoren", sagt Fuchs.

Eine Chance, die auch die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) erkannt zu haben scheint: Das Jahr 2009 wird unter dem Motto "Österreich-Japan" stehen. Über die Fernost-Initiative möchte man neue Firmen in den Export bringen. Weiters sollen Messeauftritte und Konzerte Produkte aus der Alpenrepublik in Japan bewerben.

Japan ist neben China der zweitwichtigste österreichische Handelspartner in Asien. "Derzeit sind rund 900 österreichische Exportfirmen aktiv tätig", berichtet Ernst Laschan, WKO-Handelsdelegierter für Japan. Die Exporte nach Japan stiegen 2007 um 2,5 Prozent auf 1,13 Mrd. Euro zum Vorjahr. Dennoch ist Laschan nicht ganz zufrieden: "Die Japaner verwenden unsere Weingläser oder Maschinenbauteile, ohne zu wissen, dass diese aus Österreich stammen." Im kommenden Jahr sei es daher wichtig, das Land - weg vom Sissi- und Mozart-Image - als moderne und innovative Marke zu positionieren.

Erfolgsmodell Holzbau

Laut Laschan sind die Japaner besonders an österreichischer Umwelttechnologie interessiert. Aber auch neue Projekte in der Freizeitwirtschaft und im Gesundheitsbereich würden Abnehmer finden. Dabei denkt der Handelsdelegierte insbesondere an eine Zielgruppe: 25 Millionen japanische Senioren - bis 2009 kommen 5,5 Millionen aus der Nachkriegs-Babyboom-Generation dazu - spielen als Konjunkturmotor eine wichtige Rolle.

Von den derzeit 70 österreichischen Niederlassungen in Japan gibt es nur eine Produktionsstätte. Als Produktionsstandorte seien andere asiatische Länder günstiger, räumt Laschan ein. "Wer nach Japan expandiert, profitiert vor allem von der Infrastruktur und den guten Vertriebsnetzwerken, die etwa in China erst im Entstehen sind."

Als aktuelles Vorzeigemodell lobt er den Holzbau: "Österreichische Betriebe errichten auf Hokaido gemeinsam mit japanischen Firmen wärmedämmende Holzhäuser. Ein Novum für Japan, das nun Verwendung für seine riesigen Waldbestände findet." Eine weitere Exportchance lotet die Wirtschaftskammer im Bereich Konsumgüter und Bio-Lebensmittel. Österreichische Qualitätsprodukte könnten die anspruchsvollen japanischen Konsumenten reizen, so die Strategie dahinter. Allerdings seien die Japaner auch Tüftler. "Sie denken bei Sicherheit und Funktionalität oft schon viel weiter als der Produzent", warnt Laschan.

Ebenfalls zu bedenken gibt die Japan-Expertin Fuchs, dass sich Exporteure nicht nur Gedanken über den Markteintritt machen sollten: "Als Unternehmer muss ich mir auch die Frage stellen, was passiert, wenn ich erfolgreich bin?" In den 80-er Jahren seien steirische Kernöllieferanten genau daran gescheitert. Als man erfolgreich in den großen japanischen Supermärkten gelistet war, konnten die großen Mengen nicht geliefert werden.