Stefan Bruckbauer von der Bank Austria hält ein Vielfaches an Kosten für möglich. | Raiffeisen-Analyst Peter Brezinschek sieht Probleme nur kurzfristig gebannt. | Erste-Group-Experte Fritz Mostböck meint, Verschuldung bleibe noch länger Thema.
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Brüssel/Wien. Die Warnungen sind nicht zu überhören: "Niemand darf sich irgendwelchen Illusionen hingeben", so EU-Kommissionspräsident Joe Manuel Barroso laut Austria Presseagentur. Die Lage vor dem für Donnerstag angesetzten Euro-Gipfel sei "sehr, sehr ernst". Es sei eine Antwort notwendig, meint Barroso, "denn sonst werden wir die negativen Konsequenzen in allen Ecken und Enden Europas und darüber hinaus zu spüren bekommen. Wir müssen morgen eine Lösung finden."
Tatsächlich könnten die Folgen dramatisch sein, sollten sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone nicht zu einem substanziellen Ergebnis durchringen, was die Eindämmung der europäischen Staatsschuldenkrise betrifft. "Alles würde sich dann nochmals beschleunigen", so Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Finanzmärkte würden noch panischer reagieren als zuletzt, auch die Skepsis in der Öffentlichkeit - vor allem in Deutschland - würde weiter zunehmen.
"Angst, dass die Eurozone zerfällt"
Dass Italien, Spanien und sogar auch Frankreich zuletzt unter Druck gekommen seien, zeige, dass Investoren Angst bekommen, dass die Eurozone zerfällt, meint Bruckbauer. "Wenn man nun keine Lösung findet, gibt man dem Ganzen noch einen Turbo." Dadurch würden sich die Rahmenbedingungen für eine Entscheidungsfindung weiter verschlechtern, erklärt der Experte. Je länger eine Lösung auf sich warten ließe, desto schwieriger werde sie zu finden sein und desto teurer werde sie ausfallen. Die Solidarleistung der Eurostaaten, die gegenüber Griechenland notwendig sei, würde dann um ein Vielfaches höher ausfallen.
Sollte sich die Geschwindigkeit, mit der einige Eurostaaten zuletzt an den Finanzmärkten unter Druck geraten sind, noch erhöhen, könnte dies schwerwiegende Folgen haben: Die Renditen - quasi die Zinsen - italienischer und spanischer Staatsanleihen sind zuletzt auf mehr als 6 Prozent angestiegen. "Die Sechs-Prozent-Marke wird von vielen Investoren genau beobachtet", meint Marcel Bross von der Commerzbank im "Handelsblatt". Dies ist ein Zinsniveau, bei dem Fragen laut werden, ob es für die betroffenen Staaten auf Dauer finanzierbar ist.
Spanien will am Donnerstag Anleihen in einem Ausmaß von bis zu 2,75 Milliarden Euro begeben. Italien in der kommenden Woche Schuldverschreibungen von bis zu zehn Milliarden Euro. Das Geschehen unmittelbar vor und knapp nach dem Euro-Gipfel dürfte sehr wohl eine Rolle bei der Festlegung der Zinsen spielen, die Investoren den beiden Ländern abverlangen.
Keine Diskussion über das Wachstumsmodell
Bruckbauer geht davon aus, dass Italien seine Schulden selbst bei einer Zinslast von sieben bis acht Prozent finanzieren könnte. Dies würde allerdings das Wirtschaftswachstum bremsen.
Gerade eine Diskussion über das Wachstumsmodell einiger europäischer Staaten - vor allem Griechenlands - sei notwendig, um der hohen Staatsverschuldung nachhaltig Herr zu werden, meint Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International. Dies stünde jedoch nicht auf der Agenda des Gipfels, beklagt der Experte. Stattdessen sei eine reine "Feuerwehraktion" für Griechenland zu erwarten.
"Mit Befreiungsschlag ist nicht zu rechnen"
Auf diese Weise würden jedoch nur kurzfristig Löcher gestopft - und damit die Ansteckungsgefahr für größere Volkswirtschaften der Eurozone auch nur kurzfristig gemildert, meint Brezinschek. "Mit einem Befreiungsschlag ist nicht zu rechnen", so der Analyst. Ein Ende der Währungsunion sieht Brezinschek nicht aufdämmern: "Ich bin überzeugt, dass es die Eurozone in fünf Jahren auch noch gibt." Es könne jedoch sein, dass einige Länder dazukommen und einige Länder herausfallen.
Erste-Group-Chefanalyst Fritz Mostböck warnt davor, die Schuldenkrise nur auf die Eurozone zu fokussieren: Die USA, Japan und Großbritannien seien ebenfalls - wenn nicht noch stärker - betroffen. Insgesamt sei die Staatsverschuldung durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gestiegen. Der Umgang damit werde noch länger ein Thema bleiben - unabhängig davon, was beim Euro-Gipfel herauskommt. Für Griechenland selbst wäre - vom Zinsniveau her - ein Zahlungsausfall ohnehin bereits vorweggenommen, erklärt Mostböck.
Was die Fähigkeit der Finanzmärkte betreffe, Probleme zu erkennen, habe sich übrigens am Beispiel Osteuropas gezeigt, dass diese auch falsch liegen können, so der Analyst. Im Zuge der Finanzkrise sei dort ein Zahlungsausfall eingepreist gewesen - dazu ist es jedoch nicht gekommen. Freilich haben auch Unterstützungsmaßnahmen von EU, IWF und Banken hier eine wichtige Rolle gespielt.
Während der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark, in der "Börsen-Zeitung" darauf drängt, einen zeitweisen Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern, bemühte sich der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Mittwoch um Beruhigung: "Frankreich und Deutschland werden weder Europa noch den Euro fallen lassen."