Internationaler Diversity-Kongress vom1. bis 2. März in Wien.
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Wien.
Diversity Management ist kein Gutmenschentum, sondern eine Geschäftsstrategie, sagt Beatrice Achaleke im Interview vor dem 4. Internationalen European Diversity & Business Congress vom 1. bis 2. März in Wien.
"Wiener Zeitung": Auf einer Skala von eins bis zehn - wie heterogen ist Österreich?Beatrice Achaleke: Neun! In diesem Land leben schließlich Männer und Frauen, alte und junge Menschen, Menschen mit Behinderung, mit anderer sexueller Orientierung usw. Diese Vielfalt nehmen wir aber oft nicht wahr. Da sind wir vielleicht bei zwei.
Sie unterstützen Unternehmen dabei, mit Diversity Management erfolgreich zu sein. Was haben Unternehmen davon, wenn sie sich dieses Themas annehmen?Es ist inzwischen keine Frage mehr, ob man sich des Themas annehmen möchte oder nicht, denn Unternehmen haben eine Menge zu verlieren, wenn sie sich nicht damit beschäftigen. Unsere Gesellschaft wird älter und es fehlen Fachkräfte. Unternehmen werden ihre Talente verstärkt dort suchen müssen, wo sie bisher nicht hingeschaut haben: bei Migranten, Frauen, Älteren, Menschen mit Behinderung. Es geht bei Diversity Management nicht um Gutmenschentum, sondern um Marktanteile, Wettbewerbsfähigkeit, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit.
Sie sagen, Diversity Management schärft den Blick für Unterschiede. Sollte man über Unterschiede nicht einfach hinwegsehen?
Nein, auf keinen Fall. Nehmen wir das Beispiel Homosexualität: Es reicht nicht, zu sagen, bei uns ist das kein Thema. Das ist ein schlechtes Zeichen. Sie müssen es zu einem Thema machen. Menschen sind erst dann wirklich produktiv und können ihr Bestes geben, wenn sie sich in ihrer ganzen Person angenommen fühlen. Man muss Unterschiede offen ansprechen und diskutieren. Tut man das, werden sie auch nach außen produktiv: Man erreicht andere Kundenkreise, hat ein besseres Image. Diversität ist kein Problem, sondern ein Potential.
Besteht nicht die Gefahr, dass man Menschen auf eine Identität festschreibt und funktionalisiert? Von Frauen sagt man ja auch, dass sie so empathisch sind und macht sie dann für alles Soziale im Unternehmen zuständig.
Mit Vorurteilen kommt man nicht weit. Ein Unternehmen, das sich des Themas Diversität authentisch annehmen will, muss darin einen Mehrwert erkennen. Es geht um Kompetenzen und Fähigkeiten, die der Betrieb braucht. Ist das Unternehmensziel ein bestimmter Umsatz, müssen alle Mitarbeiter ihren Beitrag dazu leisten. Als Unternehmer muss ich mich wiederum um die Bedingungen kümmern, damit dieser Beitrag möglich ist. Dazu gehören Entfaltungsmöglichkeiten, Ressourcen und Anerkennung.
Die Diversity-Strategie ergibt sich aus den Unternehmenszielen?
Ja, unbedingt. Es ist im Grunde einfach: Aus den langfristigen Zielen kann ich ableiten, welche Art von Mitarbeiter ich brauche. Diversity sollte Teil der Unternehmensstrategie sein. Es ist wichtig, dass die Diversity-Agenda von oben nach unten im gesamten Betrieb verankert wird und die Unternehmensspitze ein deutliches Commitment dazu abgibt. Eine Diversity-Beauftragte reicht nicht.
Was zeichnet eine gute Diversity-Agenda aus?
Sie legt klare Ziele und Deadlines fest, zum Beispiel eine Erhöhung des Frauenanteils in bestimmten Funktionen oder die Identifikation von Talenten bis zu einem bestimmten Datum. Es werden Ressourcen bereitgestellt und Meilensteine definiert, die regelmäßig überprüft werden. Werden die Ziele erreicht, sollte das auch im Betrieb kommuniziert und entsprechend belohnt werden. Wenn die Leute wissen, dass es etwas zu gewinnen oder zu verlieren gibt, bleiben sie dran.
Interessieren sich die Unternehmen generell zu wenig für Mitarbeiter?
Ja. Ich erlebe in vielen Betrieben, dass Abteilungen miteinander konkurrieren, viele Mitarbeiter kennen sich nicht einmal untereinander. Karrieren innerhalb der Unternehmen, über Abteilungen hinweg, sind selten. Dadurch entgehen den Unternehmen viele Talente: Es sind geeignete Mitarbeiter da, aber weil ich ihre Fähigkeiten nicht kenne, sehe ich sie nicht. Beschäftigte nicht zu kennen und zu fördern, ist schlecht für die Mitarbeiterbindung. Die besten Köpfe werden gehen.
Welche Rolle kann die Politik spielen, würde zum Beispiel eine Anhebung des Pensionsalters helfen?
Die Politik kann nur die Rahmenbedingungen schaffen, da geht es um Wahlfreiheit. Ältere zum Beispiel sollten die Wahl haben, weiter arbeiten zu können oder in Pension zu gehen. Nur wer Freude an der Arbeit hat, kann auch gute Arbeit leisten.
Beim European Diversity & Business Congress - Von den Besten lernen am 1. bis 2. März in Wien vermitteln Workshops Wissen für Unternehmer. Experten wie Andy Moffat vom Versicherer Aviva, Angela Rittig vom sozialen Netzwerk Xing oder Elisa Aichinger von Deloitte Österreich zeigen Umsetzungsbeispiele. Infos: www.diversityleadership.eu
Zur Person
Beatrice Achaleke ist Unternehmensberaterin und Gründerin von Diversity in Leadership & Consulting. Aus Kamerun stammend, rief sie 2009 ausgehend von einem Symposium den internationalen Kongress European Diversity & Business ins Leben. 2011 erschien ihr Buch "Vielfalt statt Einfalt", in dem sie ihre persönliche Geschichte und Erfahrungen von ethnischen Minderheiten in Österreich erzählt.
Website Diversity in Leadership & Consulting
Website Internationaler Kongress European Diversity & Business