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Je weniger, desto Defizit

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft
Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.

Dem IWF zufolge bietet die derzeitige Definition von Fehlbeträgen in den nationalen Budgets zu große Interpretationsspielräume und sollte daher reformiert werden.


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Wenn irgendwo Geld fehlt, dann spricht man von einem Defizit – der Internationale Währungsfonds (IWF) ist da aber anderer Ansicht und Anleger sollten vielleicht auch kritischer sein.

"Da ist ein Loch in der Kanne", heißt es schon in einem alten Lied und genau wie in diesen Textzeilen ist auch das Loch in den Kassen der Euro-Länder derzeit scheinbar nicht zu stopfen.
Aber erstens sind die Löcher nicht plötzlich aus dem Nichts gekommen, sie haben nur bisher wenige Leute gestört, und zweitens stellt sich die Frage: Was ist ein Defizit?

Wenn es nach dem IWF geht, dann sollte die derzeitige Definition überarbeitet werden, denn sie "bietet nur ein unvollständiges Bild der öffentlichen Finanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt und berücksichtigt nicht die Auswirkungen von politischen Entscheidungen auf zukünftige Budgets," so die Organisation in ihrem jüngsten Bericht über Pensionsreformen in osteuropäischen Ländern.

"Daraus folgt, dass sie (die derzeitige Defizit-Definition, Anm.) nicht zwischen jenen Ländern unterscheidet, die durch eine Pensionsreform eine langfristig stabile Position aufweisen, und allen anderen."
Von den sogenannten Maastricht-Kriterien, die die EU für ihre Mitglieder, die dem Euro beigetreten sind, festgelegt hat, sind viele dabei derzeit weit entfernt. So wird die durchschnittliche Verschuldung in der Eurozone laut Schätzungen für 2011 bei 82 Prozent statt 60 Prozent liegen, das Defizit bei 4,7 Prozent statt 3 Prozent.

Wenn man sich allerdings nur die zehn jüngsten EU-Mitgliedsländer im Osten ansieht, so haben diese – außer Ungarn – ihre Verschuldung unter 60 Prozent gehalten aber das Defizit liegt bei rund sechs Prozent.
Laut IWF ergab sich das hohe Defizit in den osteuropäischen Ländern, das aber immer noch unter jenem von zum Beispiel der USA (rund zehn Prozent) oder Irland (10,5 Prozent) liegt, vor allem durch die Umstellung der Pensionssysteme weg von einem reinen Umlageverfahren hin zu einem Mischsystem mit einem kapitalgedeckten Verfahren. Bei diesem müssen die Beiträge pro Versicherten laufend eingezahlt werden und können nicht bei Bedarf ausfallen, um dann in Zukunft darauf zu hoffen, dass der Geldtopf voll genug ist.

Die Finanzierung dieser Systemumstellungen erfolgte zumeist über Staatsanleihen, die osteuropäische Staaten wegen ihres Ratings nur zu relativ hohen Zinsen ausgeben konnten. Die sogenannten Rating-Agenturen haben den neuen EU-Ländern auch nach ihrem Beitritt keine wesentlich bessere Finanzsituation prognostiziert und deshalb sind sie noch immer schlechter eingestuft als andere Euro-Länder trotz einer besseren Schuldensituation.

Dazu kommt noch, dass viele Euro-Länder ihren Bürgern sehr hohe Pensionen in Zukunft versprochen haben, die Finanzierung aber nicht immer gewährleistet ist. Während also kapitalgedeckte Systeme Schwankungen aufweisen, lässt sich die Finanzierungssituation sofort bewerten und es können gleich Maßnahmen gesetzt werden. Gemeinsam mit einem realistisch aufgesetzten Umlageverfahren sollte so die zukünftige Finanzsituation stabiler werden, sind IWF und Weltbank überzeugt.

Der Markt hat die unterschiedliche Finanzsituation in Ost- und Westeuropa bereits eingepreist, weshalb sogenannte Credit Default Swaps, also Wetten auf die Nicht-Bezahlung von ausgegebenen Anleihen, für Osteuropa mittlerweile günstiger sind als für Westeuropa, während es 2009 noch umgekehrt war.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.