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Jean-Claude Juncker soll es richten

Von Dieter Ebeling

Europaarchiv

Alle Augen ruhen auf ihm. Jean-Claude Juncker (50), Luxemburgs Premierminister, soll die Europäische Union aus der schwersten Krise seit ihrer Gründung 1957 führen.


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Noch bis Ende Juni ist der seit 1995 amtierende Regierungschef Ratsvorsitzender der Union, leitet auch den Krisengipfel in Brüssel. Aber EU-Diplomaten halten es für möglich, dass selbst Juncker trotz seiner Nervenstärke, seines Talents zum Finassieren und Taktieren, trotz seiner Erfahrung und seiner psychotherapeutischen Geduld dieses Mal scheitern könnte - zu elend scheint es Europa zu gehen, um bei einem einzigen Gipfel gerettet werden zu können.

"Man könnte finden, dass es glücklicherweise nur zehn Referenden gibt", sagte Juncker wenige Minuten nach der Ablehnung der EU-Verfassung in den Niederlanden - mit jenem ironischen Unterton, über den er zu jeder Tages- und Nachtzeit gleichermaßen virtuos auf Französisch, Deutsch, Englisch und Luxemburgisch gebietet. Wenn Juncker vor 400 Journalisten das Wort ergreift, wirken seine Präsidentenkollegen von Kommission und EU-Parlament, José Manuel Barroso und Josep Borrell, besonders farblos.

Dass Juncker wirklich glaubhaft den Eindruck von ernsthafter Europa-Begeisterung vermitteln kann, hat mit seiner Herkunft aus einem von Krieg und deutscher Besatzung schwer getroffenen Land zu tun. Als Sohn eines von den Besatzern zum deutschen Wehrdienst gezwungenen Stahlarbeiters erlebte er hautnah die Aktivitäten des Vaters in der christlichen Gewerkschaftsbewegung. "Ich frage mich oft, ob mein Vater gerade verstehen würde, was ich sage", sagt Juncker und begründet damit seinen Hang zur deutlichen Aussprache.

Daneben hat er kultiviert, was schon andere Luxemburger, beginnend beim EU-Mitgründer Pierre Werner, beherrschten: Die Balance zwischen den großen Nachbarn Deutschland und Frankreich. Zugleich nutzt Juncker den Vorteil, für ein kleines Land zu sprechen: Irgendwelcher Dominanzbestrebungen gänzlich unverdächtig, kann er Kompromisse vorschlagen, die zum Scheitern verurteilt wären, kämen sie aus Paris oder Berlin: "Wir sind Harmonisierer aus Berufung."

Einst wurde Juncker von Helmut Kohl "Junior" gerufen. Die äußerlich sehr unterschiedlichen Männer funkten auf gemeinsamer Wellenlänge. Mittlerweile ist Juncker trotz seiner vergleichsweise jungen Jahre politisch der Senior im Kreis der EU-Regierungschefs. So schaffte er, der auch Finanzminister seines Landes ist und zu den Gründervätern des Euro gehört, die von Deutschland und Frankreich geforderte Lockerung des Euro-Stabilitätspaktes.

Nach diesem Meisterstück vom März waren die Hoffnungen groß, dass er auch die EU-Finanzplanung 2007 bis 2013 noch unter Dach und Fach bringen könnte. Doch die Verfassungskrise und die innenpolitischen Bedrängnisse vor allem von Jacques Chirac und Gerhard Schröder lassen dies mittlerweile unwahrscheinlich erscheinen. Sollten die Luxemburger am 10. Juli beim Referendum auch die EU-Verfassung ablehnen, will Juncker zurücktreten. Und wenn sein Finanz-Kompromisspapier abgelehnt wird, will er es aufbewahren - "sei es nur, um den Kollegen später zeigen zu können, dass sie schon früher eine billigere Einigung hätten finden können".dpa