)
55 Gigawatt Kohle sind 2010 in China ausgebaut worden. | Abhängigkeit von Ölimporten erhöht sich drastisch.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Peking/Wien. „Derzeit werden defacto alle Kraftwerkstechniken in China ausgebaut”, sagt Sven Teske, internationaler Energieexperte von Greenpeace. Mit der Wirtschaft wächst auch der Energiehunger explosionsartig. Die Drosselung des Wachstums ändert daran nichts. Dass China 2011 nur um sieben Prozent wachsen will, halten Experten ohnehin für unrealistisch niedrig - nach 10,3 Prozent Wachstum im Krisenjahr 2010. Doch auch sieben Prozent bedeuten eine Notwendigkeit neuer Energiequellen.
Einige Provinzen leiden jetzt schon unter Energiemangel - die südliche autonome Region Guangxi Zhuang hat derzeit den schlimmsten Energiemangel seit 20 Jahren und braucht Zeitungsberichten zufolge eine Aufstockung der Kapazitäten von mindestens 4 Gigawatt.
Noch immer Kohle
Einerseits überschlagen sich die Meldungen über den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Schließlich wurden 2010 rund 18 Gigawatt Windleistung hinzugebaut - als erstes Schwellenland investiert China auch in Offshore-Windparks. Daneben wurden 16 Gigawatt Wasserkraft geschaffen (vor allem durch den berühmten und umstrittenen Drei-Schluchten-Damm). Um 3 Gigawatt wurde Gas ausgebaut, um 1,7 Gigawatt Atomkraft. Und dennoch bleibt China eine Kohlenation: Doppelt so viel Leistung wie bei allen anderen Energiequellen zusammen - nämlich 55 Gigawatt - kommt 2010 aus neuen Kohlekraftwerken.
Doch Kohle - die 70 Prozent des chinesischen Energiebedarfs deckt - ist die schmutzigste Energiequelle. Besonders 2010 sind die Emissionen verstärkt worden - denn die Konjunkturprogramme haben beim Straßenbau angesetzt, einem durch Zement, Stahl und Glas besonders energieintensiven Wirtschaftszweig. Doch nicht nur das ist 2010 passiert. Sondern es sind auch die Erdölimporte erstmals über 50 Prozent gestiegen.
„Das alles zusammen hat einen Schock und ein Umdenken ausgelöst”, erklärt die renommierte China-Expertin Waltraut Urban. Damals war der neue Fünf-Jahres-Plan (2011 bis 2015) der chinesischen Regierung schon im Entwurf, der schließlich im März 2011 im Volkskongress angenommen worden ist. Grundsätzlich gab es schon vage Emissionsreduktionsziele im vergangenen Fünf-Jahres-Plan. „Da wurde beschlossen, noch ehrgeiziger bei Umwelt- und Energiefragen vorzugehen”, so Urban.
Beim Weltklimagipfel in Cancún im Dezember 2010 hat China schon eine Wende vollzogen - und die Abschlusserklärung zur CO2-Reduktion unterstützt. „Sie haben sich da erstmals auf quantifizierbare Ziele festgelegt. Nach der erfolgreichen Krisenbewältigung 2010 hat die Volksrepublik auf dem internationalen Parkett mehr Selbstvertrauen bekommen. Jetzt wollen sie ihre internationalen Verpflichtungen wahrnehmen und sehen sich als wichtigen globalen Player. Das bedeutet aber auch, dass man Umweltfragen nicht mehr links liegen lassen kann”, so Urban.
Emissionsgrenzen werden auf einmal ernst genommen. Bis 2013 soll ein Emissionshandelssystem umgesetzt werden. „Typisch für China ist, dass die Gesetze zwar existieren, aber lange nicht beachtet werden. Erst wenn Exempel statuiert werden”, erklärt Urban das Umdenken.
So wurde diese Woche bekannt, dass in China das Industrieministerium angeordnet hat, dass mehr als 2000 Fabriken aus 18 Industriezweigen bis September stillgelegt werden. Weil sie die Umwelt zu stark verschmutzen und zu wenig effizient seien. Sollten die Firmen, die aus der Zement-, Eisen-, Papier- und Koksindustrie kommen, sich nicht an die Anordnung halten, droht sogar der Entzug von Geschäftsgenehmigungen.
Sorgenkind Erdöl
Erdöl stillt zwar nur 18 Prozent des chinesischen Energiebedarfs. Während die Volksrepublik jedoch in den 80er-Jahren noch ein Netto-Exporteur von Erdöl war, ist sie nun immer mehr abhängig von Importen. 53 Prozent des Erdöls kamen 2010 aus dem Ausland. Und es haben beleibe noch nicht alle Chinesen ein Auto. Das statistische Jahrbuch 2010 errechnete die Zahl auf 48,5 Millionen Pkw - bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen. „Chinas Ölimportquote wird bald jene der USA (63 Prozent) überschreiten und auf lange Sicht auch die der EU (81Prozent)”, meint Urban.
Unterdessen versucht China, seine Bürger zum Kauf von Elektro-Autos zu überreden, doch diese Taktik schlägt laut lokalen Medienberichten noch nicht an. Dagegen wird zu unkonventionellen Mitteln gegriffen, um herkömmliche Benziner zu verhindern. In der Hauptstadt Peking müssen etwa potenzielle Besitzer eines Benzin-Autos monatelang warten, um ihre Zulassung zu bekommen - die durch eine Art Lotterie-System vergeben wird.