Sechs Mitglieder melden Bedenken an und wollen Verbote beibehalten.
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Wien. Viele haben lange darauf gewartet. Jetzt ist es so weit, aber nicht einstimmig: Die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt empfiehlt eine Liberalisierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes von 1992. Die Mehrheit der Mitglieder ist für die Zulassung der Eizellspende und der Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF, Befruchtung von Samen- und Eizelle in der Petrischale). Nimmt der Gesetzgeber die Empfehlung an, dürfen künftig mehr Frauen in Österreich Kinder haben.
Derzeit dürfen nur verheiratete, heterosexuelle Paare und Paare in eheähnlichen Lebensgemeinschaften bei Unfruchtbarkeit IVF in Anspruch nehmen. Das Gesetz verbietet zudem die medizinische Diagnostik an der befruchteten Eizelle (Präimplantationsdiagnostik, PID) auf schwere Erbkrankheiten.
Mutter, Vater, Kind
Die Bioethikkommission hält dies weder für zeitgemäß noch für der Autonomie der Frau gerecht werdend. "Elternschaft und Familie entsprechen heute nicht ausschließlich dem althergebrachten Familienideal von Mutter, Vater, Kind", betont Kommissionsvorsitzende Christiane Druml, die die Empfehlungen am Freitag präsentierte, und in denen festgehalten ist: "Frauen suchen nicht nur vermehrt Erfüllung im Beruf, sie gehen auch anders mit der Familiengründung um." Dass nicht alles unter einen Hut zu kriegen ist, zeigen sinkende Geburtenzahlen. Umso lieber würden viele dem (späten) Kinderglück nachhelfen. IVF-Kritiker betonen, künstliche Befruchtung sei nicht die Lösung, zudem habe niemand das Recht auf ein Kind, sondern das Kindeswohl müsse über der Autonomie bei der Fortpflanzung stehen.
Laut der Kommissionsmehrheit muss die Freiheit individueller Entscheidungen im Vordergrund stehen, jedoch in Bezug zum sozialen Umfeld - womit das Kindeswohl und das Recht auf Fortpflanzung gleichermaßen bedacht werden sollen. Der Ansatz spricht dem Embryo jedoch "keine moralische Position zu, die losgelöst von der Bedeutung ist, die er für die bereits geborenen Menschen hat" - er betrachtet also nicht den Achtzeller bereits als Leben von unantastbarer Würde.
Vor diesem Hintergrund hat die 25-köpfige Kommission mit 15 Stimmen für eine Gesetzesliberalisierung votiert. Sechs Mitglieder sind dagegen und präsentierten eine eigene Stellungnahme. Vier Mitglieder enthielten sich.
Pro und Kontra
Die Befürworter wollen PID für Paare zulassen, bei denen nach mehreren IVF-Versuchen keine Schwangerschaft zustande kam. Auch Paare, denen aufgrund genetischer Neigungen eine Fehl- oder Totgeburt oder eine schwere Erkrankung des Kindes droht, sollen diese Möglichkeit bekommen. In besonderen Fällen soll PID sogar für die Geburt von "Rettungsgeschwistern" zugelassen werden - etwa wenn ein Kind nur durch die Tranfusion von Nabelschnurblut von einem Geschwister überleben könnte.
Auch die Eizellspende in der reproduktiven Phase der Frau und die Samenspende bei IVF sollen freigegeben werden. Derzeit ist die Eizellspende verboten und die Samenspende nur bei einer Insemination (künstliche Befruchtung im Körper der Frau) erlaubt. Auch lesbische Paare und alleinstehende Frauen im fruchtbaren Alter sollen Fortpflanzungsmedizin beanspruchen können. Leihmutterschaft soll hingegen verboten werden. Schwule Paare bleiben somit ausgeschlossen. Für sie empfiehlt die Kommission die Freigabe der Adoption.
Die Grazer Juristin Stephanie Merckens lehnte die Vorschläge im Namen der Kommissions-Minderheit ab, die am Verbot der Samenspende bei IVF und am Verbot der Eizellspende festhalten will. Künstliche Befruchtung solle weiterhin nur mit Ei- und Samenzellen der Eltern durchgeführt werden. Merckens führte medizinische Bedenken an: "Die Spenderin muss stimuliert werden, was das Krebsrisiko erhöht." Sie warnte vor Profitmache durch "Eizellenhandel".
IVF für alleinstehende oder lesbische Paare lehnen die sechs Mitglieder ab, unter anderem mit Verweis auf die Wichtigkeit des Vaters für die Kinder. Auch gegen PID sprachen sie sich aus. Diese sei "keine Therapie, sondern immer Selektion", so Merckens. Die Schwangerschaftsrate könne dadurch nicht gesteigert werden.
Parlamentarische Enquete
SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek begrüßte die Mehrheitsempfehlung "ausdrücklich. Die Situation jetzt, dass Frauen eine Schwangerschaft auf Probe zugemutet wird, halte ich für untragbar", sagte sie. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger sprach sich für eine parlamentarische Enquete zu den Empfehlungen aus.
Kritik kam von der katholischen Kirche. Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn plädierte dafür, an die erste Stelle das Kindeswohl zu setzen. Dabei "Das Recht des Kindes auf Vater und Mutter darf nicht von vornherein ausgehebelt werden." Martina Kronthaler, Generalsekretärin der Aktion Leben, vermisst in Stellungnahme der Mehrheit Grundsätze wie niemandem zu schaden oder keine Behandlungen im Interesse Dritter durchzuführen. Die abweichende Auffassung hingegen zeuge von einer differenzierten Betrachtung.