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"Wiener Zeitung": Frau Ott, in Ihrem zuletzt erschienenem Buch, "Katze, was schnurrst du", fällt der Satz: "Ich möchte nie mehr ohne Katze leben". Was bewog Sie konkret zu dieser Aussage?Elfriede Ott: Ich habe nicht nur zu Katzen eine sehr innige Beziehung, auch zu Hunden. Ich könnte ohne Tiere nicht existieren, das ist irgendwie lebenswichtig für mich.
Hatten Sie schon als Kind ein Haustier?
Ja, einen Hund.
Wieviele Haustiere haben Sie derzeit?
Einen Kater und drei Hunde.
Gibt es da nicht ständig "Krieg"?Nein, es ist bei uns ein sehr harmonisches Zusammenleben. In meinem Haus in Maria Enzersdorf flog uns auch einmal eine Nebelkrähe zu, die viele Jahre völlig harmonisch in der Familie integriert war.
Sie leben in einem doch eher unkonventionellen Haushalt, dem seit vielen Jahrzehnten auch Frau Fritzi angehört . . .
Fast ihr ganzes Leben ist sie schon bei mir!
Und es ist schön, dass sich Ihre Weggefährtin nun kurz zu unserem Gespräch hinzugesellt. Frau Fritzi, wie haben Sie Elfriede Ott kennen gelernt?Frau Fritzi: Ich habe sie als Kind im Theater gesehen und war unbeschreiblich fasziniert von ihrer Stimme. Damals war ich 12 Jahre alt, das ist gerade die Zeit, wo man für alles sehr aufgeschlossen ist. Sie war wie ein höheres Wesen für mich . . .
Elfriede Ott: Jetzt nicht mehr!
Wie kam es dann zum ersten persönlichen Treffen mit Elfriede Ott?Frau Fritzi: Ich habe immer unten beim Haustor gewartet und gehofft, sie zu sehen.
Elfriede Ott: Und einmal hat sie mich angesprochen, ob sie mit den Hunden spazieren gehen kann. Das war uns natürlich sehr willkommen! Später hat sich immer eine neue Aufgabe gefunden und plötzlich war es völlig selbstverständlich, dass sie bei uns in der Familie lebt. Sowohl Ernst Waldbrunn als auch Hans Weigel haben sie sehr gern gehabt. Nun sind wir zwei übrig geblieben. Meine ganze Familie ist gestorben. In meinem Alter verliert man mit der Zeit auch seine Freunde.
Zu Ihrem engsten Freundeskreis zählte auch Fritz Muliar.
Er hat mich jeden Tag angerufen. Wir haben so viel zu besprechen gehabt. Das war auch deswegen sehr außergewöhnlich, weil im Prinzip keiner von uns ein offener, kommunikativer Mensch war. Wir haben über viele Jahre miteinander gespielt und uns im Laufe der Zeit angefreundet. Ich bin auch eine der wenigen, die nie etwas mit ihm gehabt hat. Das ist auch eine Voraussetzung für eine gute Freundschaft. Kurze Zeit, bevor Fritz Muliar gestorben ist, hat er einmal zu mir gesagt: Weißt du, eigentlich möchte ich nur noch mit dir Theaterspielen.
Apropos zwischenmenschliche Verbindungen und Theaterspielen: Ihre erste große Liebe war Oskar Werner. Standen Sie mit ihm auch gemeinsam auf der Bühne?
Natürlich! Aber da waren wir beide noch sehr jung. Er führte auch einmal am Akademietheater bei einem Stück Regie, in dem ich die Hauptrolle spielte.
Sie sind ein Mensch von sehr dauerhaften Beziehungen - sowohl in privater als auch in beruflicher Hinsicht. So hielten Sie beispielsweise dem Theater in der Josefstadt 60 Jahre lang die Treue . . .
Viele Direktoren sind an mir vorbei gegangen.
Dann unterhielten Sie zwei Ehen, wobei ich mich in Ihrem Buch "Worüber ich lache" ein bisschen über die Formulierung gewundert habe: "Ich habe zwei Ehen durchgestanden."
Das ist natürlich eine Blödelei!
War der Humor eines der verbindenden Momente in Ihren Beziehungen mit Ernst Waldbrunn und Hans Weigel?
Ja, das hat mich auch zu dieser Formulierung bewogen.
In der Öffentlichkeit haben Sie das Image der Urkomödiantin. In Ihren Büchern lassen Sie allerdings immer wieder durchklingen, dass Sie eigentlich eher falsch eingeschätzt wurden. Wie nahe war Ihnen diese Rolle wirklich?
Schon sehr nahe, natürlich! Trotzdem hätte ich mir mehr ernsthafte Rollen gewünscht. Hie und da habe ich auch welche gespielt und diese dann auch sehr genossen. Ich bin nach einer Vorstellung auch nie mit den Kollegen in Lokale gegangen. Dazu hatte ich einfach keine Lust. Nach einer Vorstellung bin ich nach Hause gegangen. Ich war nicht so, wie man mich eingeschätzt hat.
Paula Wessely sagte einmal zu Ihnen: "Ich beneide Sie, Sie dürfen sich glücklich schätzen, dass die Menschen über Sie lachen." Genießen Sie das Lachen des Publikums?
Mit dem Genießen verhält es sich ein wenig anders, als man denken möchte. Es ist eher ein bisschen wie Mathematik. Jede Pointe ist exakt berechnet. Es reicht nicht, einen bestimmten Satz auszusprechen, sondern eine Pointe wird auch körperlich mitpräsentiert. Das ist ein ganz geheimnisvoller Vorgang. Man ist sehr froh, wenn man sich nicht geirrt hat, wenn es stimmt, wenn das, was man sich vorgenommen hat, aufgeht. Aber mich selbst stimmt dieser Vorgang nicht weiß Gott wie lustig. Es ist ja auch eine Tatsache, dass die meisten Komiker keine lustigen Leute sind.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass viele Menschen, die andere Leute zum Lachen bringen, privat eher ernsthafte Menschen sind?
Wahrscheinlich laugt es einen aus, wenn man die Menschen immer nur zum Lachen bringen muss. Und mit der Zeit entwickelt sich dann dieser Wunsch, auch ernsthafte Stücke zu spielen. Kollegen erzählten oft, dass es furchtbar war, mit Heinz Rühmann zu spielen.
Inwiefern war es furchtbar?
Weil er das Gegenteil dessen war, was er auf der Bühne gebracht hat - also eher unangenehm. Auch Hans Moser war kein lustiger Mensch. Hinzu kommt: Man ist auch nicht immer entsprechend aufgelegt oder hat gerade irgendetwas Furchtbares erlebt. Mit Maxi Böhm habe ich in der Josefstadt ein Stück an jenem Tag gespielt, als sich am Nachmittag sein Sohn erschossen hatte. Er hat trotzdem gespielt! Und die Leute haben über ihn vor Lachen gebrüllt! Das Servieren von Pointen ist eine Disziplinsache und eben eher ein mathematisches Beispiel als Genuss.
Umgekehrt gefragt: Wann haben Sie sich zuletzt gut unterhalten, als Sie im Theater waren?
Ich muss sagen, dass bei den Stücken, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, eigentlich nie etwas war, worüber ich lachen musste. Es gab auch eine Zeit, wo wo Lachen generell verpönt war.
Wenn beispielsweise Nestroy am Spielplan steht, könnte man schon damit rechnen, dass man lachen kann. . .
Man hofft, dass man es zusammenbringt, dass die Leute über das lachen, was sie eigentlich selber treffen müsste. Nestroy teilt ja ganz schön aus.
1983 gründeten Sie gemeinsam mit Hans Weigel in Maria Enzersdorf die Nestroy-Spiele auf Burg Liechtenstein.
Es war wahnsinnig schwierig, ein Theater im Freien zu erfinden! 30 Jahre lang gab es jeden Sommer diese Festspiele, aber ich hatte oft das Gefühl, dass die Gemeinde Maria Enzersdorf nicht ganz zu schätzen weiß, was sie an diesen Sommerfestspielen hat.
2013 ist der Pachtvertrag nicht mehr verlängert worden. Gibt es mittlerweile einen neuen Veranstaltungsort?
Leider nicht. Was doppelt schade ist, weil die Nestroy-Spiele auch eine ideale Plattform für meine Schüler waren.
Das bringt uns zum Thema Unterrichten. Wie erklären Sie es sich, dass Sie bereits als junge Schauspielerin den Wunsch verspürten, zu unterrichten? Einer Ihrer ersten Schüler war André Heller.
Ich hatte einfach immer schon dieses Bedürfnis in mir.
Sie selbst nahmen als junge Frau Privatunterricht bei der Burgschauspielerin Lotte Medelsky.
Ja, aber nicht sehr lange, weil sie eines Tages gesagt hat: Im Burgtheater spielen sie "Die goldene Harfe" von Gerhard Hauptmann und suchen ein junges Mädel. Möchtest du nicht vorsprechen gehen? Also bin ich hingegangen - und sie haben mich genommen. Die Schauspielprüfung habe ich dann nachgemacht, nachdem ich schon lange Zeit an der Burg gespielt habe.
Worauf legen Sie beim Unterrichten besonderen Wert?
Ich persönlich, aber das kann ich natürlich nicht von meinen Lehrern erwarten, habe mir vor dem Unterricht nie etwas wirklich vorgenommen. Ich habe den Unterricht immer aus der Fantasie heraus strömen lassen. Aber das ist wahrscheinlich etwas ziemlich Einzigartiges.
Dürfte aber offensichtlich funktionieren. Zu Ihren ehemaligen Schülern zählen unter anderen Nicholas Ofczarek, Sandra Cervic, Kristina Sprenger . . .
Es freut mich, dass meine Schüler auf den verschiedensten Bühnen zu sehen sind.
Halten Sie bewusst Kontakt mit der Jugend?
Ja, es gibt viele, die immer wieder an die Akademie zu Veranstaltungen kommen. Die Studenten lernen ungeheuer viel bei uns, weil wir nicht nur stur Theaterspielen, sondern weil ich sie auch dazu ermutige, in Konzerte oder Ausstellungen zu gehen. Alles, was mit Kunst zu tun hat, sollen sie in sich aufnehmen. Es ist heute ja sehr schwer mit den jungen Leuten.
In welcher Hinsicht ist es Ihrem Empfinden nach schwierig?
Sie sind sehr anders. Durch das Fernsehen wird die Sprache verdorben. Ich lege großen Wert auf die österreichische Sprache, aus ihr sind viele wunderbare Schauspieler hervorgegangen. Aber das wird heute sehr verschlampt. Man spürt auch sofort, wie im Elternhaus gesprochen wird. Ich habe ausschließlich österreichische Schülerinnen und Schüler, zumal es einfach schön wäre, den Leuten wieder zeigen zu können, dass es das österreichische Theater noch gibt.
Den Traum einer Schauspielerkarriere haben viele junge Menschen. Den tatsächlichen Durchbruch schaffen nur wenige . . .
Diesen Weg einzuschlagen ist ein großes Risiko und wir weisen auch von Anbeginn darauf hin. Gleichzeitig bin ich aber auch davon überzeugt, dass eine Schauspielausbildung in jedem Fall sinnvoll ist. Sollte letztlich doch nicht der Schauspielberuf ergriffen werden, war es eine Persönlichkeitsbildung.
Goran David, einer Ihrer ehemaligen Schüler, leitet seit 2013 Ihre Schauspielakademie. Darüber hinaus haben Sie ihn vor sieben Jahren adoptiert. Worauf beruht diese offenbar innige Beziehung zu diesem Menschen?
Ich habe Goran 1999 beim Aufnahmetest am Konservatorium kennen gelernt. Zu Beginn der Ausbildung war er furchtbar schüchtern. Eines Tages habe ich gesagt, ich brauche für die Arbeit, die ich gerade mache, eine Assistenz - wer meldet sich? Goran erklärte sich spontan bereit dazu und ist mir bei dem Stück beigestanden. Und so ist es eigentlich geblieben. Er hat mich auch in zwei Situationen gerettet, wo ich von Mitarbeitern schmählich im Stich gelassen wurde. Einmal bei den Nestroy-Festspielen, und später im Rahmen der Schauspielakademie, die er nun auf großartige Weise leitet. All diese Begebenheiten führten dazu, dass ich zu dem Schluss kam: Diesem Menschen kann ich vertrauen.
Staunen Sie nicht manchmal selbst, dass Sie seit mittlerweile 70 Jahren in den verschiedensten künstlerischen Sparten mit schöpferischer Kraft zu Werke gehen?
Ich habe viel erlebt - in jeder Richtung. Aber ich muss sagen, ich habe mehr Tragisches erlebt als Lustiges. Und ich sehne mich nun ungeheuer nach schönen Dingen, nach Kunst, nach Musik. Ich bin jetzt nur leider seit den Knieoperationen sehr unbeweglich, das ist eine Katastrophe. Das Theaterspielen fehlt mir ganz entsetzlich.
Wenn man sich hier in Ihrer Wohnung umblickt, sieht man jede Menge Malutensilien, Leinwände und fertige Gemälde. Wie wichtig ist Ihnen heute die Malerei, zu der Sie ursprünglich ja Hans Weigel animiert hatte?
Hans Weigel war eine sehr treibende Kraft. Er wollte unbedingt, dass ich male. Und ich muss sagen, dass mir die Malerei in letzter Zeit sehr wichtig geworden ist. Es gibt Menschen, für die das Malen ein Ausgleich, Entspannung und Erholung ist. Das ist es für mich überhaupt nicht! Ich rege mich schrecklich auf, wenn ich Farben in der Hand habe und einen weißen Untergrund vor mir sehe. Ich muss auch sagen, dass ich jetzt ganz anders male als früher. Ich habe Perioden gehabt, wo ich ununterbrochen Häuser, Kirchen und Straßen gemalt habe. Jetzt ist etwas ganz anderes ausgebrochen, das ich selbst noch nicht richtig benennen kann.
Lässt sich der kreative Schaffensprozess beim Malen in einer Weise mit dem Theaterspielen vergleichen?
Für mich ist es fast dasselbe. Eine leere Leinwand, wo man noch überhaupt nicht weiß, was darauf kommt, ist vergleichbar mit einer leeren Bühne, auf der ein Stück entsteht. Der Vorgang dieser Entwicklung ist sehr ähnlich.
Christine Dobretsberger, 1968 in Wien geboren, war viele Jahre Kulturedakteurin bei der "Wiener Zeitung" und ist nun freie Journalistin, Autorin und Geschäftsführerin der Text- und Grafikagentur "Lineaart".
Zur Person
Elfriede Ott, geboren 1925 in Wien, Tochter eines Uhrmachermeisters, debütierte im Alter von 18 Jahren am Wiener Burgtheater im Stück "Die goldene Harfe" von Ger- hart Hauptmann. Es folgten Engagements in Graz, Hamburg und Zürich, bis sie im Jahr 1954 ihre künstlerische Heimat am Theater in der Josefstadt fand (Ensemblemitglied seit 1958). Im Laufe ihrer Karriere zählten u.a. Raoul Aslan, Oskar Werner und Curd Jürgens zu ihren Bühnenpartnern.
Neben ihrer Tätigkeit am Theater entstanden zahlreiche Soloprogramme, wie zum Beispiel "Phantasie in Ö-Dur". Gemeinsam mit Hans Weigel initiierte sie 1983 die in der Folge jährlich auf Burg Liechtenstein stattfindenden Nestroy-Sommerspiele, deren Intendanz sie 30 Jahre lang innehatte.
Von 1985 bis 2005 leitete Elfriede Ott die Schauspielabteilung des Konservatoriums der Stadt Wien, danach gründete sie die "Schauspielakademie Elfriede Ott". Neben ihrer Fernsehtätigkeit (u. a. in der TV-Serie "Die liebe Familie") hat sich Elfriede Ott auch einen Namen als Regisseurin, Kabarettistin, Autorin, Herausgeberin und Malerin gemacht. 2010 spielte sie in dem Film "Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott" unter der Regie von Andreas Prochaska sich selbst.
Zu den wichtigsten Auszeichnungen von Kammerschauspielerin Elfriede Ott zählen u. a. der Professorentitel, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, die Josef-Kainz-Medaille der Stadt Wien, der Nestroy-Ring sowie das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich.
Elfriede Ott war mit Ernst Waldbrunn und Hans Weigel verheiratet.
Literaturhinweise:
Elfriede Ott: Katze, was schnurrst du. Amalthea Verlag, Wien 2014, 224 Seiten, 19,95 Euro.
Worüber ich lache. Erlebte und gesammelte Anekdoten. Amalthea, 2013, 232 Seiten, 24,95 Euro.