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"Jede Zigarette ist eine Stange Giftmüll"

Von Petra Tempfer

Politik
In Österreich schreitet der Nichtraucherschutz indes eher schleppend voran. Ein totales Rauchverbot in Gaststätten zum Beispiel gilt erst ab 1. Mai 2018.
© Andreas Pessenlehner

Österreich im Tabak-Ranking der Europäischen Krebs-Liga an letzter Stelle - Maßnahmen zur Tabak-Kontrolle gering.


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Wien. "Die Mehrheit der Menschen sind Nichtraucher. Und jede Zigarette ist eine Stange Giftmüll, den man angezündet hat." Diese Sätze sagte der kalifornische Kardiologe Stanton Glantz am Dienstag in Wien anlässlich eines internationalen Symposiums der Akademie der Wissenschaften zum Thema "Tobacco Control". Zum Vergleich mit Österreich meinte der Kalifornier: "Ich fühle mich hier in Wien wie in einer Zeitmaschine, die mich 30 Jahre zurückversetzt hat."

Tatsächlich liegt Österreich im Tabak-Länder-Ranking der Europäischen Krebs-Liga an letzter Stelle. Dabei wurden Maßnahmen zur Tabak-Kontrolle wie Nichtraucherschutz oder Gesundheitswarnungen verglichen. Was den Anteil der Raucher betrifft, so ist dieser in den vergangenen drei Jahren zwar um sieben Prozentpunkte gesunken, mit 26 Prozent liegt Österreich laut Eurostat aber noch immer im europäischen Mittelfeld. 14.000 Österreicher sterben jährlich durch den Tabakkonsum. In Griechenland (38 Prozent) und Bulgarien (35 Prozent) wird noch mehr geraucht, in Schweden (11 Prozent) weit weniger. In den USA ist der Anteil der Raucher seit den 80er Jahren von 40 auf 20 Prozent gesunken.

In Kalifornien rauchen Glantz zufolge sogar nur noch elf bis zwölf Prozent. Vor 20 Jahren waren es etwa so viele wie in Österreich, nämlich rund 25 Prozent. Die Maßnahmen, die zu dieser Reduktion führten: "Wir haben in Kalifornien rauchfreie Restaurants, Bars, Casinos und sogar einige rauchfreie Strände", sagte Glantz. Es werde daran gedacht, das Alterslimit für den Kauf von Zigaretten auf 21 Jahre hinaufzusetzen.

In Österreich schreitet der Nichtraucherschutz indes eher schleppend voran. Ein totales Rauchverbot in Gaststätten zum Beispiel haben Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bereits vor einem Jahr, am 10. April 2015, angekündigt. Aber erst ab 1. Mai 2018 soll dieses gelten. Betriebe, die freiwillig bis zum Juli 2016 auf rauchfrei umstellen, können allerdings eine "Prämie" in Höhe des Restbuchwerts erhalten.

Totales Rauchverbot in der Gastronomie erst 2018

Ein Rauchverbot in Gaststätten ist schon seit 2004 im Gespräch, als die freiwillige Selbstverpflichtung zur Errichtung von Nichtraucherzonen beschlossen wurde. 2009 trat mit dem Tabakgesetz ein "grundsätzliches" Rauchverbot, wie man es nannte, in Kraft, das abgetrennte Raucherzimmer und das Rauchen in kleinen Lokalen akzeptierte. Im Vormonat passierte zudem die EU-Tabakrichtlinie den Ministerrat, die unter anderem besagt, dass Tabakprodukte künftig mit Schockbildern und Warnhinweisen versehen werden müssen. Der Beschluss dieser Richtlinie im Nationalrat im Zuge einer Novelle des Tabakgesetzes soll laut Oberhauser Ende April erfolgen.

Was das totale Rauchverbot in Gaststätten betrifft, hofft die Gastronomie aufgrund der langen Übergangsfrist allerdings noch immer, dass es doch nicht kommt. Bis zur Umsetzung 2018 sei noch eine Nationalratswahl zu schlagen, sagt etwa der Obmann des Fachverbands Gastronomie in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker. Bei einer neuen Koalition könnte es ein Umdenken geben. "Der Wirt ist ein Meinungsbildner - wir werden schauen, was dann kommt." Der Gastronom Josef Bitzinger, auch Vizepräsident der Wiener Wirtschaftskammer, formuliert es drastischer: Kommen das totale Rauchverbot und die zunehmenden bürokratischen Anforderungen - Stichwort Registrierkassenpflicht - "wird in den nächsten fünf Jahren ein Drittel der Wirte in Österreich zusperren".

Trafikanten-Branchensprecher Josef Prirschl befürchtet freilich Umsatzeinbußen. In Italien zum Beispiel waren es nach Einführung des Rauchverbots in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten 2005 minus sieben Prozent im ersten Jahr. Danach blieb der Umsatz stabil. Der Zigarettenverkauf macht laut Prirschl mehr als die Hälfte des Umsatzes aus. "Tabakwaren sind unsere Lebensgrundlage, danach kommen Glücksspiel und Zeitungen", sagt er zur "Wiener Zeitung". In den vergangenen drei Jahren hätten 200 Trafiken zugesperrt.

Der Gewinn auf der anderen Seite ist laut Glantz allerdings enorm. Alle wissenschaftlichen Daten sprächen für strikte Anti-Tabak-Gesetze. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen seien positiv. "Man spricht im Zusammenhang mit dem Rauchen vor allem über Lungenkrebs. Aber bei Passivrauchern setzt der Schaden für die Blutgefäße binnen Minuten ein. Wir hatten eine 15- bis 20-prozentige Reduktion der Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit. Die Gesundheitskosten sanken um 14 bis 15 Prozent", sagte Glantz über die Anti-Rauch-Kampagnen in Kalifornien. Das kalifornische Tabakkontrollprogramm hätte zwischen 1989 und 2008 2,4 Milliarden US-Dollar (2,11 Milliarden Euro) gekostet. Gleichzeitig seien 243 Milliarden US-Dollar an Gesundheitskosten (213,53 Milliarden Euro) eingespart worden.

"Der Rauchbann bringt Wählerstimmen"

Ähnliche Erfahrungen habe man in Italien gemacht. Giuseppe Gorini, ein Epidemiologe aus Florenz, ergänzte: "Bei uns ging nach dem Rauchverbot in der Gastronomie die Hospitalisierungsrate wegen Herzinfarkten binnen zwei Jahren um vier Prozent zurück. Die Sterblichkeit durch Herzinfarkte reduzierte sich um drei Prozent."

Auch Ungarn, das zwischen 2010 und 2014 eine strikte Tabakkontrolle einführte, habe gute Erfahrungen gemacht, sagte der ehemalige ungarische Gesundheitsminister und Direktor eines Trainingszentrums für Gesundheitsmanagement in Budapest, Miklós Szócska, am Dienstag. "Der Rauchbann bringt Wählerstimmen." Die Tabakkontrolle habe im ungarischen Parlament eine Mehrheit von 87 Prozent erreicht. Szócska: "Sogar 60 Prozent der Raucher unterstützten die Implementierung."