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Jedem seine eigene Inflation

Von Rosa Eder-Kornfeld

Politik

Die Verbraucherpreise stiegen im Vorjahr nicht einmal um ein Prozent - Diskussion um Beseitigung der "kalten Progression" hält an.


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Wien. Die Miete wurde erhöht, die Bio-Milch gibt’s im Supermarkt kaum noch unter einem Euro pro Liter, und im Stammcafé kostet der kleine Schwarze auch schon deutlich über zwei Euro. Das Leben wird - subjektiv - immer teurer. Wenn dann die Statistik Austria bekanntgibt, dass die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr nur um 0,9 Prozent gestiegen sind, macht sich bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern Unverständnis breit.

Eine derart geringe Preissteigerung habe es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer am Mittwoch vor Journalisten. Die bedeutendsten "Preistreiber" waren Restaurants und Hotels, vor allem die sogenannten Bewirtungs- und Beherbergungsdienstleistungen haben sich überdurchschnittlich stark verteuert, ebenso wie die Wohnungsmieten. Auch im Bereich "Freizeit und Kultur" stiegen die Preise überdurchschnittlich. Als Preisdämpfer machte die Statistik Austria den Lebensbereich "Verkehr" aus, wo die Preise um 1,8 Prozent sanken. Hauptpreisdämpfer waren die Treibstoffpreise.

Warum es den Verbrauchern dennoch so vorkommt, als sei quasi "alles" deutlich teurer geworden, liegt an der sogenannten "gefühlten Inflation": Der Konsument hat hauptsächlich die Preise von Dingen im Kopf, die oft - täglich oder wöchentlich - eingekauft werden. Und: Einkommensschwächere Haushalte geben einen höheren Prozentsatz für Nahrungsmittel, fürs Wohnen und für Energie aus.

Kein Maßstab für Abbildung der Lebensrealität

Vor ein paar Jahren hat die Statistik Austria einen persönlichen Inflationsrechner gelauncht, bei dem sich Verbraucher anhand ihres eigenen Konsumverhaltens "ihre" Inflationsrate ausrechnen können. Für Lohnabschlüsse etc. wird jedoch die offizielle Teuerungsrate herangezogen. Darüber, ob sie ein geeigneter Maßstab ist, um das Konsumverhalten von Personen mit verschiedenen Einkommen abzubilden, wird immer wieder heftig diskutiert, zuletzt im Zusammenhang mit der "kalten Progression".

In der Vergangenheit wurde diese durch regelmäßige Steuerreformen teilweise abgegolten. Nun wollen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und ÖVP-Chef, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner das Phänomen so rasch wie möglich beseitigen, und zwar automatisch. "Wir wollen eine automatische, unbürokratische Entlastung aller Steuerzahler, sobald die Inflationsrate einen bestimmten Wert überschreitet. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit", so Mitterlehner zur APA. "Die Abschaffung der kalten Progression soll aber nicht Anlass für eine neue Umverteilung sein, wie das die Sozialisten wollen", fügte der Sprecher der Plattform für Leistung und Eigentum sowie frühere ÖVP-Nationalratsabgeordnete Günther Stummvoll hinzu.

"Was wir nicht brauchen, ist eine zusätzliche Umverteilung von unten nach oben", betonte hingegen der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. Er verweist auf eine Studie von Mathias Moser und Stefan Humer vom Institut für Ungleichheitsforschung der WU Wien. Sie kommen zu dem Schluss, dass die durchschnittliche Inflationsrate kein geeigneter Maßstab ist, um die Lebensrealität von Personen mit verschiedenen Einkommen zu beschreiben: "Personen mit niedrigen Einkommen haben höhere Inflationsraten als Personen mit hohen Bezügen, denn sie konsumieren anteilsmäßig an ihrem Einkommen mehr Güter, die von hoher Inflation geprägt sind (Nahrungsmittel, Energie)."

Preisspirale bei den Mieten dreht sich weiter

Ende 2016 hat sich die Situation an der Preisfront gewendet, so die Statistik Austria. Die Preise für Heizöl (plus 15,3 Prozent), Diesel (plus 4,1 Prozent) und Superbenzin (plus 3,5 Prozent) zogen im Dezember 2016 teils kräftig an. "2017 wird wie 2016 stark von internationalen Rohölpreisen geprägt sein", so Pesendorfer.

Die Wohnungsmieten verteuerten sich im Dezember um 4,3 Prozent. 2016 seien die Mieten fast dreieinhalb Mal so stark gestiegen wie die Jahresinflation insgesamt, monierte Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. "Wohnen muss endlich billiger werden", fordert er. Und: "Auf die lange Bank schieben geht nicht länger, eine Mietrechtsreform mit wirksamen Mietpreisobergrenzen ist längst überfällig."

Kaske sieht auch die Länder am Zug. "Die Wohnbauinvestitionsbank ist gegründet, und das in Brüssel anhängige beihilferechtliche Verfahren soll im Frühling endlich abgehandelt sein. Die Länder sollen daher bereits jetzt neue Förderschienen konzipieren, welche bei der Wohnbauinvestitionsbank andocken können. Sie müssen den Bau weiterer leistbarer Wohnungen - bald auch mit bundesbehafteten Mitteln aus der Wohnbauinvestitionsbank - angehen. Wir brauchen dringend Wohnraum, der auch für nachkommende Generationen leistbar bleibt."