Rot-Grün präsentiert Asylprogramm: Deutschkurs, Anerkennung von Qualifikationen, vergünstige Öffi-Monatskarte.
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Wien. "Bis Jahresende wird es in Wien keinen einzigen Flüchtling geben, der nicht in Betreuung ist", betonten Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) am Dienstag nach einer gemeinsamen Regierungsklausur.
Betreut heißt laut Vassilakou unter anderem: verpflichtende Deutschkurse, die Anerkennung von Qualifikationen, eine vergünstige Öffi-Monatskarte um vier Euro und ein Bildungspass. In diesem Pass soll die persönliche Entwicklung dokumentiert werden. Das sind die Eckpfeiler des sogenannten "Start Wien"-Programms, das Rot-Grün präsentierten. Wer sich weigert, die Kurse zu besuchen, dem drohen Kürzungen der Mindestsicherung. Diese Androhung wird nun auch auf die Kurse außerhalb des AMS-Angebots ausgedehnt.
Kürzungen "inhuman und verfassungswidrig"
Kritik hagelte es seitens der Stadtregierung vor allem an der Flüchtlingspolitik des Bundes. Einmal mehr sprachen sich Häupl und Vassilakou gegen eine Verschärfung des Asylrechts aus. Den "Notstand", der diese Verschärfung rechtfertigen soll, hätten sich Innen- und Außenministerium selbst gemacht: "Ein Drittel der Gemeinden nimmt bis heute keine Flüchtlinge auf, obwohl die Ministerin das umsetzen könnte", sagte Vassilakou in Richtung Johanna Mikl-Leitner. "Und Wien hat bis heute keinen Cent von den zugesicherten 75 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe gesehen." Wien sei bei den NGOs "längst in Vorleistung getreten", weil der Bund säumig sei, erklärte die für die Flüchtlinge zuständige Stadträtin Sonja Wehsely.
Die Mindestsicherung generell für alle Flüchtlinge kürzen zu wollen, so wie Oberösterreich das angekündigt hat, ist laut Häupl "inhuman und obendrein klar verfassungswidrig". Diese Maßnahme würde nur die Obdachlosigkeit in den Städten befeuern. Häupl forderte angesichts des Vorstoßes aus Oberösterreich den Bund auf, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten.
Häupl erinnerte an den Balkan-Krieg Anfang der 1990er Jahre. Damals hätten sich 80.000 Flüchtlinge aus Bosnien allein in Wien befunden. Gegenwärtig seien 21.100 Personen in der Grundversorgung. "Ich denke, das ist bewältigbar. Da kann ich keinen Notstand erkennen", meinte Häupl. Und auch das Argument der FPÖ, dass es sich damals um Christen gehandelt habe, ließ er nicht gelten. Schließlich gebe es in Bosnien drei religiöse Entitäten gibt, wovon etwa ein Drittel dem Islam zuzuschreiben sei.
Seit Anfang 2015 sind rund 300.000 Flüchtlinge durch Wien gereist. Mehr als eine Million Übernachtungen in Notunterkünften wurden gezählt. Ob das so weitergeht, sei nicht abschätzbar, meinte Häupl. Aber mit dem "Start Wien"-Paket sei man vorbereitet. Das Programm im Detail: Nach der Zuweisung zum Asylverfahren werden Flüchtlinge zu einem Erstgespräch eingeladen und erhalten einen Bildungspass. Danach erfolgt die Zuweisung zu den muttersprachlichen Info-Modulen, wo Orientierungswissen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnen, Soziales und vor allem Zusammenleben vermittelt werden soll. "Es ist undenkbar bei uns, dass ein Schüler sich weigert, den Anordnungen einer Lehrerin zu gehorchen, weil sie eine Frau ist", unterstrich Häupl.
Opposition ortet "rot-grüne Realitätsverweigerung"
Danach gibt es bei den Volkshochschulen Bildungsberatung, ein Sprach- und Kompetenzclearing sowie die Zuweisung zu Deutschkursen. Während des Asylverfahrens findet eine laufende Begleitung der Integrationsentwicklung statt, welche u.a. die Vermittlung in gemeinnützige Beschäftigungs- und Qualifizierungsangebote, Bewerbungscoachings und Unterstützung bei der Anerkennung von Qualifikationen beinhaltet. "Ein ausgebildeter Arzt muss kein Taxifahrer sein", so Häupl. Bei der Asylanerkennung und der Aufnahme in die Betreuung des AMS wird dann die vollständig erfasste Bildungsbiografie übergeben.
Kritik an den Plänen von Rot-Grün-kam erwartungsgemäß von der Opposition: ÖVP-Chef Gernot Blümel sprach von Realitätsverweigerung der Stadtregierung. Nur eine Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme in Österreich würde auch für Wien eine Entlastung bringen. Und FPÖ-Landesparteisekretär Toni Mahdalik meinte: "Für ,Refugees welcome‘-Taumel wird in Wien das Geld abgeschafft."