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Jeder für sich

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Niemand weiß was am Dienstag beim Gipfeltreffen zwischen dem US-Präsidenten und Nordkoreas Diktator herauskommen wird. Möglich, dass Donald Trump und Kim Jong-un in Singapur Geschichte schreiben. Möglich, dass am Ende nur die inszenierten Fotos bleiben und ansonsten der Umgang mit Nordkorea das ist, was er seit Jahrzehnten schon ist: diplomatische Kärrnerarbeit.

Immerhin: Dass Trump ein Ergebnis im Abgang per Tweet für gegenstandslos erklärt, wie er es eben erst beim G7-Gipfel mit seinen westlichen Verbündeten getan hat, ist dann aber doch unwahrscheinlich. Dazu hat er bereits zu viel politisches Kapital in das Treffen mit Kim Jong-un investiert. Und sein eigenes Kapital ist diesem Mann heilig.

Trotzdem wird dieser Gipfel weitreichende und ziemlich sicher historische Folgen haben. Die bisherigen Verbündeten der USA, also in erster Linie Europa sowie Japan, Südkorea, Taiwan und Australien auf der anderen Seite des Pazifiks, müssen sich klar darüber sein, dass sie sich im Fall des Falles nicht länger auf den Beistand der ehemaligen westlichen Führungsmacht verlassen können.

Das zieht unweigerlich für die strategische Ausrichtung der betroffenen Staaten Konsequenzen nach sich. Ein Europa, das sich auf den Beistand der USA verlassen kann, wird sich anders gegenüber Russland oder anderen geopolitische Bedrohungen verhalten als eines, das im Ernstfall womöglich auf sich selbst gestellt sein wird.

Noch viel gravierender aber werden die Folgen in Asien sein. Hier haben die Jahrzehnte der Pax Americana die Rivalitäten zwischen den historischen Gegnern ausbalanciert und so für weitgehende Stabilität gesorgt. Vor allem Japan, Südkorea, Indonesien, Taiwan und die Philippinen müssen künftig aus eigener Kraft ihr Verhältnis zu China neu ausrichten.

Peking muss nun noch weniger Widerstand bei der Ausweitung seines pazifischen Vorhofs fürchten. Es ist in ganz Ostasien wieder die Sonne, um welche die Planeten kreisen, das Reich der Mitte seiner Weltregion.

Darauf hat Peking seit Beginn der Öffnung vor bald vierzig Jahren hingearbeitet; und wahrscheinlich wäre aller Widerstand dagegen angesichts der Größe des Landes und seiner Bevölkerungsstärke ohnehin nur ein hinhaltender Kampf gegen die geostrategischen Tatsachen. Aber die USA unter Trump sind dabei, diesen Prozess auf einzigartige Weise zu beschleunigen. Und das auf Kosten ihres eigenen wirtschaftlichen und politischen Einflusses in dieser Zukunftsregion.

Natürlich spricht nichts gegen und alles für eine nachhaltige Friedenslösung auf der koreanischen Halbinsel. Sie würde auf jeden Fall die bestehende Ordnung über den Haufen werfen.