OGH zeigt Herz für Dienstnehmer. | Wann und wofür haften Mitarbeiter? | Wien. Ein junger Mitarbeiter eines Ziviltechnikerbüros hatte den bekannten Spruch "Wer nichts tut, kann nichts falsch machen" etwas zu ernst genommen und seine Dienstzeit teilweise unproduktiv verbracht, wie sein Chef meinte. Eigentlich war er aber recht fleißig, allerdings nicht für seinen Dienstgeber: Er surfte regelmäßig und stundenlang zu privaten Zwecken im Internet, schrieb und beantwortete E-Mails und brannte am Firmenrechner CDs.
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Nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen unterschiedlicher Auffassungen über Fleiß und Produktivität begehrte der Dienstgeber Schadenersatz für die vertrödelte Zeit und meinte, dass die Beschäftigung eines qualifizierten Angestellten in der Regel einen Umsatz von rund 48 Euro pro Stunde bringe; Durch die Privataktivitäten seien dem Unternehmen somit Umsatz und Gewinn in beträchtlicher Höhe entgangen. Ein Gewinneinbruch in der Bilanz sollte dieses Argument untermauern.
Dieser Rechtsansicht konnte der Oberste Gerichtshof (OGH) jedoch nicht folgen (9 ObA 178/05z). Es wäre zwar prinzipiell möglich, durch unerlaubtes Surfen einen Schaden (Virenbefall) zu verursachen, doch war dies hier nicht der Fall. Außerdem sei es nicht erwiesen, dass der bilanzielle Gewinnrückgang direkte Folge der Nicht-Arbeit des Dienstnehmers gewesen sei. Ob das Unternehmen bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Dienstpflicht zusätzliche Aufträge lukriert hätte, könne im Nachhinein nicht geklärt werden, so die Höchstrichter.
Mitarbeiter schuldet bloß Arbeitsleistung
Dass der OGH gar nicht anders hätte entscheiden können, liegt zudem am Wesen der Dienstnehmereigenschaft: Der angestellte Mitarbeiter schuldet nämlich bloß seine Arbeitsleistung aber keinen konkreten Erfolg, wie der klagende Unternehmer fälschlich annahm - nämlich einen bestimmten Umsatz pro Stunde. Anders wäre es natürlich bei vorliegen eines Werkvertrags gewesen. Gerade wegen der Möglichkeit des Dienstgebers, sich gegen Risiken zu versichern, wurde der Anspruch auf Schadenersatz gegen einen Arbeitnehmer per Gesetz stark eingeschränkt. Wer Vorteile aus einem Betrieb zieht, hat auch damit zusammenhängenden Verluste zu tragen und sollte diese nicht vollständig auf seine Arbeitnehmer übertragen können. Mögliche Verluste sind etwa durch Schlamperei beschädigte Arbeitsmaschinen oder auch Schäden bei Kunden, für die der Arbeitgeber einzustehen hat (Mechaniker zerkratzt ein Auto in der Werkstatt).
Das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DNHG) sieht zwar einen Ersatzanspruch bei Schädigung des Unternehmers vor, gleichzeitig kann die Ersatzpflicht aber vom Gericht gemäßigt oder sogar ganz erlassen werden. Bei der Entscheidung über die Ersatzpflicht hat der Richter vor allem auf das Ausmaß des Verschuldens des Dienstnehmers und außerdem auf den Grad der Ausbildung, die Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, sowie die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens (etwa bei Flämmarbeiten an einer Tankstelle) zu achten. Für entschuldbare Fehlleistungen, die nicht oder nur durch besondere Aufmerksamkeit vermieden werden können, wird jedenfalls nicht gehaftet. Darunter versteht der OGH beispielsweise das gelegentliche Fallenlassen eines Tellers durch eine Kellnerin.
Ein Drittel der Arbeitszeit unproduktiv
Übrigens: Laut einer Studie verbringen Österreichs Dienstnehmer ein Drittel ihrer Arbeitszeit unproduktiv. Hier werden neben privaten Aktivitäten - wie Internetsurfen - aber vor allem auch betriebsbedingte Wartezeiten sowie ineffektive Sitzungen berücksichtigt.