Ab März wirbelt die Tanzprominenz an der Seite ihrer Tanzprofis (in der 5. "Dancing Star-Staffel") wieder über das glatte ORF-Parkett: Tanzen bleibt beliebt und im Rampenlicht - und das auch in Zeiten der Wirtschaftskrise.
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"Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge." Ob dieses Zitat tatsächlich von Augustinus, Kirchenlehrer und Bischof von Hippo (354-430 n.C.) stammt, darf bezweifelt werden, sein Wahrheitsgehalt ist - jedenfalls für begeisterte Tänzer - unbestritten.
Auch in Zeiten der Wirtschaftskrise wird getanzt, unbeeindruckt oder mehr noch - der Krise zum Trotz. Laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer schweben alleine in der angelaufenen Ballsaison in Wien rund 300.000 Tanzwütige über das Parkett. Insgesamt fließen so mehr als 60 Millionen Euro in die Wiener Wirtschaft. Gespart wird woanders.
Der ORF tanzt mit, die hohen Quoten und die dringend notwendigen Werbeeinnahmen vor Augen. Die Promis der 5. "Dancing Star-Staffel" sind engagiert und sicher geführt in den Armen ihrer Tanzprofis wieder eine gute Figur im Rampenlicht machen. Sogar einige klingende Namen wie Sandra Pires und Andy Lee Lang sind diesmal am Start.
Dass der Gesellschaftstanz der Krise trotzt, liegt für Karin Lemberger, Chefin der Tanzschule Dorner in Wien und Präsidentin der Wiener Tanzschulen, auf der Hand. "Man will doch nicht zu Hause sitzen und Trübsaal blasen", meint sie, zudem sei Tanzen ja ein verhältnismäßig günstiges Freizeiterlebnis. Ähnlich wie die Ballveranstalter haben die Wiener Tanzschulen zur Zeit (noch) keinen Grund zur Klage. "Wir haben für jeden das richtige Angebot. Für Kinder und Jugendliche bieten wir Ballett, Hip Hop und Videoclip Dancing, für Singles Step Dance, Line Dance und Single-Tanzkurse, für Jugendliche, Erwachsene und ´50plus´ unsere beliebten Paarkurse mit den Standard- und Lateinamerikanischen Tänzen. Nicht zu vergessen die vielen Spezialkurse wie Boogie, Tango Argentino oder Salsa", zählt Lemberger auf.
Worin liegt aber der besondere Reiz des Tanzens, im Besonderen des Miteinander Tanzens? "Für mich gibt es nichts Schöneres, als nach einem langen, verkopften´ Arbeitstag die Gedanken ganz auszuschalten und zum Beispiel bei schöner Slow-Fox-Musik dem Alltag zu entschweben", stellt etwa Silke fest. Umso mehr, als gerade beim mitreissenden "Slow-quick-quick"-Rhythmus des Slowfox die synchrone Bewegung mit einem guten Tanzpartner besonderes Vergnügen bereiten würde. Was Silke noch spannend findet: "Beim Tanzen lernt man Menschen jeden Alters und aus völlig unterschiedlichen Berufssparten kennen. Das finde ich sehr bereichernd. Sonst treffe ich mich ohnehin vor allem mit Menschen, die in der gleichen Branche arbeiten oder dasselbe studiert haben wie ich."
Franz, der nach 30jähriger Pause erst mit Mitte 50 wieder zum Tanzen gekommen ist, hat bei der kubanischen Rumba ein neues Lebensgefühl entdeckt. "Im Gleichschritt zur lateinamerikanischen Musik fühle ich mich mit meiner Partnerin wie in einer eigenen Welt und fühle mich auch als Mann bestätigt", meint er. Was nicht bedeute, dass er sich beim Führen immer sicher sei, ergänzt er.
An der Frage der Führung kommt beim Gesellschaftstanz kein Paar vorbei. Auch wenn diese Rolle beim Tanzen traditionell dem Mann zukommt, wird sie einerseits nicht immer wahrgenommen, andererseits auch in Frage gestellt. "im Zweifelsfall überlasse ich meiner Partnerin die Führung, sie merkt sich die Figuren einfach besser", antwortet Franz diplomatisch und hat mit seiner gelegentlichen Führungsschwäche kein Problem. Aus dem Umfeld des Tango Argentino stammt ein Zitat, mit dem sich Männer wie Frauen meist gut arrangieren können: Es definiert etwa Tango als "Führung des Mannes unter der Regie der Frau" und lässt so ausreichend Interpretationsspielräume für beide Seiten offen.
Schon auf den Spuren von Fred Astaire ist Martin (35) unterwegs, ganz im Sinn des glänzenden tänzerischen Vorbilds, der Tanz als "...ein Telegramm an die Erde mit der Bitte um Aufhebung der Schwerkraft" definiert hat. Martin hat seit einigen Jahren seine Freizeit ganz auf das Tanzen abgestimmt, besucht alle nur möglichen Bälle und Tanzveranstaltungen und steht gleichsam jede freie Minute auf dem Parkett. "Für mich stehen beim Tanzen Hingabe an die Partnerin und an die Musik an erster Stelle, gefolgt von Spaß, tänzerischer Perfektion, Konzentration und Kondition", zählt er auf.
Petra und Erwin sind noch nicht ganz soweit, ohne Tanzen geht es bei den beiden aber auch nicht mehr. "Tanzen macht uns einfach viel Spaß und ist eine Chance, als Paar aktive Zeit miteinander zu verbringen ist", streicht Petra hervor. Dabei sei die Zusammenarbeit beim Erlernen neuer Schritte auch für sie als "langgedientes" Paar eine große Herausforderung. "Da geht es oft an die Grenzen, man muss aufeinander Rücksicht nehmen und die Eigenarten des anderen akzeptieren, konzentrierter noch als im Alltag", stellt sie fest. Ganz in diesem Sinn habe das alte Plakat an der Wand der Tanzschule Dorner auch seine Berechtigung: "Zuerst in die Tanzschule und dann erst in die Ehe", heisst es da. Das würde manchen Paaren vielleicht die Scheidung ersparen, meint sie augenzwinkernd.
Als Impuls für die Partnerschaft würden sich viele Frauen das gemeinsame Tanzen mit dem Partner wünschen. Tanzwillige Männer sind aber im Verhältnis zu tanzbegeisterten Frauen auch heute in der Minderheit. "Um das zu ändern, müsse der Partner zunächst einmal für einen Tanzkurs gewonnen werden", ist Verena aus Salzburg überzeugt. Wenn diese Hürde genommen ist und man mit Mann im Tanzkurs steht, würden sich rasch Fortschritte einstellen. "Dann merken auch Männer, dass Tanzen Spaß machen kann", so Verena. Und selbst wenn man sich anfangs schwer tut: Vielen anderen geht es ebenso, Männern gleich wie Frauen.
Alexander fühlt sich auf dem Parkett nach wie vor unter Druck. "Zum einen steht man dauernd unter Beobachtung und das, während man lernt, also unsicher ist. Welcher Mann will das schon? Zum anderen wird von uns Männern erwartet, dass wir führen, auch wenn wir weniger gut tanzen können." Für Toni ist letzteres gerade eine einmalige Chance: "Beim Tanzen kann der Mann ganz im Sinne der gemeinsamen Sache ungehindert die Führung übernehmen. Einen Tanz lang folgt ihm die Frau - vorausgesetzt er bemüht sich und ist rücksichtsvoll," meint der Chef des Marko-Hotels in Velden. Toni selbst ist begeisterter Tänzer und hat sich in seinem Hotel einen lang gehegten Wunsch erfüllt: Seit Jahren finden hier Tanzworkshops und Salsa-Parties statt, zu denen mittlerweile viele Tänzer aus dem In- und sogar Ausland pilgern.
Männern empfiehlt Toni, einfach einmal einen ersten Tanzschritt etwa in einer Tanzschule zu versuchen. Den vielen tanzbegeisterten Frauen rät er, nicht aufzugeben. Hilfe bei der Suche nach einem Tanzpartner bieten mittlerweile nicht nur Tanzschulen sondern auch zahlreiche Tanzbörsen im Internet. "Es muss ja nicht gleich der Traumtänzer sein, einer der aussieht wie George Clooney und tanzt wie Andy Kainz würde mir schon genügen," meint Heidi augenzwinkernd.
Elf gute Gründe
Dass Tanzen gesund ist und die Produktion von Glückshormone ist bekannt. Konkret ist Tanzen gut für...
- die körperliche Fitness, gut für Kondition, Blutdruck und Puls, als Muskeltraining und Gelenkstraining.
- die Konzentrationsfähigkeit: erfasst werden müssen Schrittkombinationen und Armbewegungen zum Rhythmus
-die Koordinationsfähigkeit: Arme und Beine werden teils in unterschiedlicher Weise zur Musik bewegt
- die Immunabwehr; Entspannung mit Musik und Bewegung wirken sich positiv aus.
-die Psychohygenie; durch Entspannung und Bewegung zur Musik, durch das Abschalten des Alltagsstresses gesteigerte alpha-Wellen im Gehirn.
-das Zusammenspiel von rechter und linker Gehirnhälfte. Es entsteht ein Zustand des "Schwebens", positive Glückshormone werden ausgeschieden, negativer Stress (Distress) wird abgebaut.
-die soziale Kompetenz: Tanzen zu zweit fördert die soziale Komponente. Partner, die tanzen, kommunizieren mehr - verbal und non-verbal
-die Haltung: Sie wird verbessert, das Selbstbewusstsein wird gesteigert, was sich auch positiv auf den Alltag auswirkt.
-unterforderte Gehirnteile: Teile werden aktiviert, die sonst nur wenig bis kaum in Aktion treten (Kleinhirn)
-die Gruppendynamik und das Teamdenken
-die Flirtkompetenz: Tanzen hilft beim Kontakt zum anderen Geschlecht