Zum Hauptinhalt springen

Jeder sein eigener Warren Buffett - Onlinebroker trotzen der Finanzkrise

Von Stefan Melichar

Wirtschaft
Zum Gebrauch von Broker-Programmen reicht auch eine weniger aufwendige EDV-Infrastruktur aus. Foto: bbox

"Branche profitiert von Imageverlust der Vermögensberater." | Brokerjet-Chef will Expansion in Osteuropa fortsetzen. | Wien. Sie sind männlich, mittleren Alters und wild entschlossen, ihr finanzielles Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: Die achtköpfige Herrenrunde, die sich am späten Nachmittag zur Kunden-Akademie des Onlinebrokers Brokerjet im sechsten Wiener Gemeindebezirk zusammengefunden hat, kann als prototypisch für den Benutzerkreis derartiger Internetdienste angesehen werden. Dabei wächst die Zahl jener, die ihr Wertpapier-Depot selbst per Mausklick managen, stetig an - auch in der Finanzkrise.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Viele Leute haben Geld bei Vermögensberatern verloren", erklärt Brokerjet-Chef Dirk Piethe im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Manche würden sich nun lieber selbst um ihre finanziellen Angelegenheiten kümmern. Derzeit nutzen rund 29.000 Österreicher Brokerjet. In den vergangenen Jahren konnte der zur Erste Group gehörende Onlinebroker Kundenzuwächse von 10 bis 20 Prozent verzeichnet, heuer erwartet Piethe trotz Krise einen Anstieg um 15 Prozent.

Kundenzulauf auchbei Direktanlage.at

Optimistisch ist auch Ernst Huber, Vorstandsvorsitzender von Direktanlage.at. Die Tochter der zur Münchner Hypovereinsbank gehörenden DAB-Bank will heuer die Zahl ihrer Kunden mindestens um 3000 auf 56.000 steigern. Seit Jahresbeginn habe man bereits um rund 1300 zugelegt, so Huber. 2008 ist die Kundenzahl um 2000 gewachsen.

Huber ortet den Grund für den regen Zulauf ebenfalls im Imageverlust herkömmlicher Vermögensberater und Banken: Die Kunden seien der Meinung, teure Berater würden auch nicht besser wirtschaften als sie selbst. Seit Jahresbeginn sei das über Direktanlage.at verwaltete Kundenvermögen von 2,1 auf 2,4 Mrd. Euro gestiegen, erklärt Huber. Das lässt sich allerdings auch zum Teil auf die Kursgewinne der vergangenen Wochen zurückführen.

Während Direktanlage.at in Filialen auch unabhängige Vermögensberatung anbietet, setzt Brokerjet-Chef Piethe in erster Linie auf die Weiterbildung der Anleger. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang soll die eingangs erwähnte Kunden-Akademie spielen, die Seminare zu verschiedensten Investment-Bereichen anbietet.

Dass Kunden Onlinebroker als Kasino-Ersatz verwenden, glaubt Piethe nicht: Es gebe genügend Glücksspielangebote im Internet. Echte Finanzwetten, wie sie etwa im angelsächsischen Raum üblich seien, biete man nicht an. "Wir sind nicht auf schnelle Geschäfte aus", so der Brokerjet-Chef. Angestrebt werde eine nachhaltige Kundenbeziehung - Spekulanten seien in der Minderzahl.

Rund 20 Prozent der Nutzer des Onlinedienstes sind laut Piethe besonders aktive Kunden, die eher auf kurzfristige Gewinne aus sind. In Österreich verzeichnet Brokerjet pro Kunde rund 20 Transaktionen im Jahr. Auffallend sei, so Piethe, dass osteuropäische Kunden deutlich aktiver seien als österreichische.

Brokerjet hat derzeit in Tschechien 12.000 Kunden, in Slowenien 500. Ein nächster Expansionsschritt ist für 2010 angedacht. Wohin dieser führen wird, ist laut Piethe noch nicht festgelegt. "Wir wollen in Ländern vertreten sein, wo auch die Erste Group tätig ist", so der Brokerjet-Chef. Von Slowenien aus habe man etwa die Möglichkeit, nach Kroatien zu gehen.