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"Jeder soll seine Regeln bestimmen dürfen"

Von Siobhán Geets

Politik
Den Frieden in Nordirland gefährdet sieht die eben angetretene irische Europaministerin Helen McEntee von der Fine Gael.
© Stanislav Jenis

Irlands Steuerpolitik ist in der EU umstritten. Die Regierung will trotzdem daran festhalten, sagt Europaministerin Helen McEntee.


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"Wiener Zeitung": Mit dem EU-Austritt Großbritanniens wird wieder über eine gemeinsame EU-Steuerpolitik mit einem Mindeststeuersatz diskutiert. Üben Ihre europäischen Partner Druck auf Dublin aus wegen des irischen Steuersystems, das es Unternehmen ermöglicht, kaum Steuern zu zahlen?

Helen McEntee: Wir haben klar gemacht, dass diese Fragen unserer Meinung nach auf nationaler Ebene gelöst werden müssen. Jedes Land soll seine eigenen Regeln und Ziele festlegen dürfen.

Sind Sie also optimistisch, dass Dublin mit seinem niedrigen Steuersatz von 12,5 Prozent weiter Unternehmen locken wird können?

Ich bin optimistisch, dass Irland seinen Weg hier fortsetzen wird, ja.

Kein zweites EU-Land ist so sehr vom Brexit betroffen wie Irland, das starke wirtschaftliche Beziehungen zu Großbritannien pflegt. Doch Irland könnte auch vom Brexit profitieren. Auch Dublin wirbt um die EU-Arzneimittelagentur EMA und die Bankenaufsicht EBA, die aus London in ein EU-Land umziehen werden.

Eine unserer Stärken ist, dass wir nach dem Bexit das einzige englischsprachige EU-Land sind. Wir werden unsere Angebote wie alle anderen Länder auch vorbringen. Während manche vorschlagen, dass auch Irland aus der EU aussteigen sollte, stimme ich mit rund 85 Prozent der Iren überein, dass wir im Herzen der Union bleiben sollten.

In Irland wird nicht nur der "Irexit" diskutiert, sondern auch eine Wiedervereinigung Irlands mit Nordirland. Bleibt das eine romantische Idee?

Das würde ich so nicht sagen. Sicher ist, dass die Wiedereinführung einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland uns vor große Probleme stellen würde. Bedauerlich ist auch, dass Nordirland derzeit keine Regierung hat. Londons Nordirlandminister James Brokenshire hat den Parteien in Belfast mehr Zeit gegeben, sich zu einigen. Es ist schwer vorherzusagen, was dort passieren wird. Ob romantische Idee oder nicht - eine funktionierende Regierung ist vorerst das Wichtigste.

Die nordirische DUP unterstützt die britische Premierministerin Theresa May, damit sie weiterregieren kann. Welchen Einfluss hat das auf den Brexit?

Die DUP hat deutlich gemacht, dass sie keine harte Grenze will. Sie war für den Brexit, gleichzeitig weiß sie aber auch, dass Grenzkontrollen schlecht für ihre Wähler wären. Wir müssen jetzt zusammenarbeiten, damit es nicht zu Grenzkontrollen kommt. Zuerst brauchen wir einen realistischen Vorschlag.

Irland versucht seit einem Jahr, seinen europäischen Partnern klarzumachen, wie hart der Brexit das Land trifft. Ist das mittlerweile allen in der EU klar?

Ich denke schon. Drei wichtige Punkte werden in der ersten Phase der Brexit-Verhandlungen besprochen: Bürgerrechte, Finanzverpflichtungen Großbritanniens und Nordirland. Menschen meiner Generation sehen die EU vielleicht am ehesten als wirtschaftlichen Stabilisator. Tatsächlich spielte sie auch eine wichtige Rolle bei der Friedenssicherung. Wird dieses Thema nicht entsprechend gehandhabt, dann ist der Frieden in Nordirland in Gefahr. Es ist uns wohl gelungen, das klarzumachen. Die Nordirlandfrage an den Anfang der Verhandlungen zu stellen, ist ein Signal dafür.

Zur Person:

Helen McEntee, Jahrgang 1986, wurde bei der Nachwahl am 27. März 2013 im Wahlkreis
Meath East für die liberalkonservative Fine Gael erstmals ins Parlament
gewählt. Sie besetzte damit den vakanten Sitz ihres verstorbenen Vaters
Shane McEntee. Nach Abschluss ihres Studiums war sie davor kurzzeitig
für die Citibank tätig.