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Betroffen sind vor allem Wiener ohne Pflichtschulabschluss, mit gesundheitlichen Problemen und einem Alter ab Ende 40.
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Wien. Österreich ist im Ausland für seine Walzerklänge und Sissi-Folklore bekannt. In den vergangenen Jahren kam ein weiterer Indikator hinzu, auf den man in der Republik genauso stolz ist. Denn Österreich hat die niedrigste Arbeitslosenquote aller 28 EU-Staaten. Klopfte man sich in der Vergangenheit beim Thema Arbeitsmarkt noch auf die Schulter, so ist nach den jüngsten Arbeitsmarktdaten Ernüchterung eingetreten, auch wenn die Spitzenposition in der EU nach wie vor gehalten werden konnte.
Denn der Arbeitsmarkt ist auch im April nicht aus seinem Tief gekommen. Die Zahl der Arbeitslosen (Arbeitssuchende und Schulungsteilnehmer) stieg im Vorjahresvergleich um 10,5 Prozent auf 390.289 Personen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) musste unlängst einräumen, dass die Konjunktur derzeit zu schwach sei, um die Arbeitslosigkeit zu senken, da die Nachfrage ausbleibe. Für Rudolf Kaske, Präsident der Arbeiterkammer Wien (AK), ist die Arbeitslosigkeit nun auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In Wien sei jeder Vierte einmal im Jahr arbeitslos, sagt er. Betroffen sind vor allem Personen, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, an gesundheitlichen Problemen leiden oder ein Alter ab Ende 40 erreicht haben.
Anzeichen auf Besserung seien zudem nicht in Sicht. Der Arbeitsmarkt werde sich auch weiter "schwierig gestalten", so der Wiener AK-Präsident. Er verweist auf Zahlen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), das eine österreichweite Zunahme der Zahl der arbeitslosen Personen um 18.000 im Jahr 2014 prognostiziert.
Um die Situation für Arbeitssuchende zu verbessern, wurde nun auf Initiative der Wiener AK ein Dialogforum ins Leben gerufen, bei dem auch das Arbeitsmarktservice Wien (AMS) und die Stadt Wien beteiligt sind. In moderierten Fokusgruppen wurden dabei die Zufriedenheit und Anliegen von Arbeitslosen erhoben.
Beratungszeit bei Erstgesprächen zu kurz
Ein Hauptkritikpunkt sei dabei die kurze Dauer von AMS-Beratungsgesprächen gewesen, erklärt Kaske. Eine durchschnittliche Beratung komme momentan auf siebeneinhalb Minuten. Daher sprach sich der Wiener AK-Präsident für mehr Personal und eine Mindestberatungszeit - vor allem im Erstgespräch - von 30 Minuten aus. "Für 24 Millionen Euro könnte man 300 zusätzliche Berater einstellen. Da die Ausbildungszeit ein Jahr beträgt, muss man hier und jetzt handeln", rechnete der Wiener AK-Präsident vor. Und weiter: "Das hat etwas mit Respekt gegenüber Arbeitssuchenden zu tun."
Ob mehr Personal die Situation tatsächlich verbessern würde, sei laut Petra Draxl, Geschäftsführerin des Wiener AMS, aber dahingestellt. Das müsse man erst einmal testen, sagt sie.
Besserung verspricht Draxl hingegen bei der Ausgestaltung des Erstgesprächs. Die meiste Zeit würde momentan mit rechtlichen Informationen verschwendet werden, so der oft getätigte Vorwurf. Ab Herbst werde sich das aber ändern. Die Rechtsinformation soll dann in einer Broschüre dem Klienten übergeben werden, um Zeit zu sparen. Auf Wunsch des Arbeitssuchenden könne das Thema aber weiterhin im Erstgespräch behandelt werden.
Weiters wurde ein Pilotprojekt in Auftrag gegeben, wo sogenannte AMS-Case Manager sich Arbeitsuchenden mit besonders hohem Unterstützungsbedarf annehmen. Hier sei nicht nur ein einstündiges Beratungsgespräch, sondern auch die jederzeit mögliche Kontaktaufnahme vorgesehen.
Kritik gegenüber dem AMS übt der AK-Präsident auch an der oftmals vorschnellen Sperre des Arbeitslosengeldes. Er fordert, dass man bei beeinspruchten Sperren den Instanzenweg abwarten sollte. Für Draxl ist die Forderung unrealistisch. "Dann müssten wir Geld rückfordern, wenn falsch ausbezahlt wurde." Für Menschen, die ohnehin schon in einer schwierigen finanziellen Situation seien, kann das "äußerst unangenehm" werden.
Ein weiterer Punkt, der Kaske sauer aufstößt, ist der Umgang mit älteren Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt. Diese hätten "kaum eine Chance" einen Job zu bekommen. Er nimmt die Politik in die Pflicht, die hier dringend Lösungen finden müsse. Die im Regierungsprogramm für 2017 vorgesehene Erhöhung im Bonus-Malus-System - also Zuschüsse für Betriebe, die ältere Mitarbeiter einstellen bzw. Strafzahlungen, wenn keine älteren Mitarbeiter eingestellt werden - müsse bereits heuer gesetzlich verankert werden, sagt Kaske. Statt wie bisher 55 Prozent des letzten Nettobezuges auszuzahlen, will Kaske die Quote zudem auf 60 Prozent anheben. Außerdem wünscht er sich eine Verlängerung des Bezuges und eine Entschärfung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe.
Gegen Erhöhung des Pensionsantrittsalters
Auch Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) kennt das Problem von älteren Arbeitnehmern am Arbeitsmarkt. "Wenn man mit 48 Jahren einen Job sucht, dann wird einen jeder schief anschauen. Vor allem wenn man eine Frau ist", sagt sie. Brauner hält daher auch nichts von einer Anhebung des Pensionsantrittalters, die immer wieder diskutiert wird. "Das bringt nichts, weil die meisten Menschen dann direkt vom AMS in die Pension gehen werden." Das vorrangige Ziel sei es daher, dass Menschen gesund und in Beschäftigung das derzeit reale Pensionsantrittsalter erreichen.