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Eigentlich war's eine Überraschung. Als Anhängsel zum Steuerreformgesetz 2000 veröffentlichte die Finanz nicht nur die lang versprochenen Verordnungen für die steuerliche Pauschalierung in der | Gastronomie, im Lebensmittel- und Gemischtwarenhandel und bei den Drogisten. Als Anhängsel zum Anhängsel gab's vielmehr noch ein zusätzliches Gebilde: Einen Versuch, den kleinen und kleinsten | Steuerzahlern eine vereinfachte Steuerabsetzmöglichkeit für ihre beruflichen Ausgaben zu bieten. Die "Individualpauschalierung" war geboren.
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Alle Selbständigen und viele nichtselbständige Berufstätige, auch alle Vermieter und Verpächter haben berufliche Ausgaben, die sie der Finanz belegmäßig nachweisen oder irgendwie glaubhaft machen
müssen. Das verursacht Arbeitsfrust, auch bei der Finanz.
Deshalb lag die Idee nahe, die üblichen Geschäftsunkosten oder · vor allem bei den Dienstnehmern · die üblichen Werbungskosten einfach im Wege eines Pauschales anzuerkennen. Immer vorausgesetzt, dass
diese Ausgaben in einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen oder angefallen sind. Die Idee einer allgemeinen Pauschalierung, einer Individualpauschalierung (IP) für alle Steuerzahler, nahm Gestalt an.
Der Braintrust der Finanz erarbeitete eine entsprechende Verordnung, lieferte alsbald eine zweite nach und formulierte auch noch einen ausführlichen Durchführungserlass.
Basis Vorjahresausgaben
Worum geht es dabei? Das Grundprinzip der angebotenen Pauschalierung ist für Selbständige (Betriebsausgaben) und für Dienstnehmer (Werbungskosten) grundsätzlich gleich. Wer in den drei Vorjahren
1997 bis 1999 Betriebsausgaben oder Werbungskosten aufzuweisen hatte, darf aus den Ausgaben dieser drei Jahre einen steuerabsetzbaren Pauschalbetrag (für Betriebsausgaben bzw. für Werbungskosten)
ableiten, der in den drei Folgejahren (2000 bis 2002) ohne irgendwelche konkrete Nachweise geltend gemacht werden darf.
Kommt vielen so vor wie Weihnachten beim Finanzminister, aber die Krux liegt in der 4-Schritte-Ermittlung des Pauschales, zu der man profunde finanzmathematische Kombinatorik braucht.
Schritt 1: Man setzt die Betriebsausgaben der Jahre '97 bis '99 jeweils zu den Umsätzen dieser Jahre ins Verhältnis und errechnet die einzelnen Prozentsätze. (Bei den Dienstnehmern setzt man die
Werbungskosten zu den Bruttobezügen ins Verhältnis, allerdings unter Ausgliederung der steuerfreien Bezüge und der Bezüge zu festen Steuersätzen).
Schritt 2: Aus den drei Prozentsätzen der Jahre '97 bis '99 zieht man das arithmetische Mittel und bekommt so einen 3-Jahre-Durchschnittssatz. Dieser Durchschnittssatz ist nun jener Prozentsatz, den
man in den Jahren 2000 bis 2002 auf die Umsätze (bzw. auf die Bruttobezüge) dieser Jahre anwenden darf, um das jeweilige steuerfreie Pauschale zu ermitteln. Dabei muss man allerdings auch noch
Schritt 3 beachten.
Zwei Sperrklauseln als Limit
Schritt 3 besagt nämlich: Der mit diesem Durchschnittssatz in den Folgejahren jeweils ermittelte Pauschalbetrag darf nicht höher sein als der arithmetische Mittelwert der Betriebsausgaben
(Werbungskosten) der Jahre 1997 bis 1999. Dieser "Deckelungswert" gilt jedenfalls als Limit. Wenn auch Schritt 4 noch passt.
Schritt 4 prüft, ob der Prozentsatz aus Schritt 2 oder der Mittelbetrag aus Schritt 3 durch die Betriebsausgaben (Werbungskosten) in einem der Jahre 1997 bis 1999 um mehr als 20% überschritten wird.
Tut er das, dann ist die ganze spitzfindige Rechnerei vergeblich gewesen und die Individualpauschalierung insgesamt nicht zulässig.
Durch die übrigens erst nachträglich eingeführte 20%-Deckelung wollte die Finanz jene Steuerzahler austricksen, die angesichts der angekündigten IP-Einführung noch rasch ihre Betriebsausgaben oder
Werbungskosten 1999 in die Höhe trieben.
Keine Investitionsvorteile
Gehen wir davon aus, dass es doch Selbständige gibt, die tatsächlich berechtigterweise durch die IP-Verordnung zu einem pauschalierten Steuerabsetzposten für die Jahre 2000 bis 2002 gelangen. Sie
dürfen dann noch zusätzlich absetzen: Die Ausgaben für Waren- und Materialeinkauf, die Lohn- und Lohnnebenkosten und die Beiträge zur Sozialversicherung. Auf Anlagen-AfA, auf geringwertige
Wirtschaftsgüter, auf Investitions-, Lehrlings- oder Bildungsfreibeträge müssen sie freilich verzichten, denn die sind bereits mit dem Pauschale abgedeckt. Ein Nachteil.
Voraussetzung ist ferner, dass die Selbständigen in den Vorjahren (und in den Folgejahren) Einnahmen-Ausgaben-Rechner (oder sogenannte Überschussrechner) waren bzw. sein werden und dass sie auf
Bilanz und doppelte Buchhaltung verzichten können. Außerdem darf in keinem der Vorjahre der Jahresumsatz (die Jahreseinnahmen bzw. Bruttobezüge) mehr als 5 Mill. Schilling betragen haben.
Als Draufgabe gibt es dafür für die vorsteuerberechtigten Unternehmer unter den Selbständigen auch eine Vorsteuerpauschalierung, die bereits aus den bisherigen Pauschalierungssystemen bekannt ist und
die zusätzlich zur Betriebsausgabenpauschalierung beansprucht werden kann (aber nicht muss).
Pauschale ohne Ausgaben?
Natürlich bleibt es jedem Steuerzahler anheim gestellt, die Segnungen der IP-Verordnung in Anspruch zu nehmen oder seine Werbungskosten oder Betriebsausgaben (letztere zuzüglich Investitions-,
Lehrlings-oder Bildungsfreibeträgen) groschengenau geltend zu machen. Nach Meinung von Wirtschaftstreuhändern ist das neue System überhaupt nur interessant für Freiberufler oder Geschäftsführer-
Gesellschafter, die üblicherweise geringe berufliche Steuerabsetzposten aufweisen. Und für Dienstnehmer, die zwar '97 bis '99 Werbungskosten verzeichneten, in den Jahren 2000 bis 2002 aber keine mehr
erwarten.
Denn dieses Paradoxon wird auch von der Finanz nicht bestritten: Wer trotz aller mathematischer Hürden aus den Vorjahren ein IP-Werbungskostenpauschale ermittelt hat und es in den Folgejahren
(erstmals in der Arbeitnehmerveranlagung 2000) geltend macht, braucht in diesen Folgejahren 2000 bis 2002 gar keine Werbungskosten nachzuweisen, auch tatsächlich keine zu haben. Ein Steuergeschenk?
Sieht so aus.
Eine Überlegung der Ministerialen in der Finanz wird durch die Individualpauschalierung freilich nicht aufgehen. Mit dem neuen System sollte manchem Steuerzahler das Honorar des Steuerberaters
erspart werden. Da hat man wohl eher das Gegenteil erreicht.