Jede zweite Sars-CoV-2-Infektion bei Kindern und Jugendlichen bleibt unentdeckt.
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Zweitausendzweihundertvierzehn Komma sieben. Unter den fünf- bis 14-Jährigen ist die Siebentagesinzidenz am Corona-Dashborard der Ernährungsagentur Ages derzeit mit Abstand am höchsten. In allen anderen Altersgruppen liegt die Zahl der Covid-19-Fälle pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten Woche bei der Hälfte und darunter.
Einige Wissenschafter fordern daher zusätzlich zum harten Lockdown eine vorübergehende Schließung der Schulen. Am Montag kamen 70 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in die Klassenzimmer, da diese offen bleiben für alle, die am Präsenz-Unterricht teilnehmen wollen. Angetrieben vom winterlichen Jahrszeiten-Effekt steigert zugleich die hochansteckende Delta-Plus-Variante bei den Kindern, die noch nicht geimpft sind, die Infektionsgefahr, was ein Sinken der Zahlen und damit auch das von der Bundesregierung geplante Ende des Lockdown am 12. Dezember eigentlich recht unwahrscheinlich macht.
Doch das ist nicht alles. Hinzu kommt nämlich eine nicht unerhebliche Dunkelziffer: Jede zweite Sars-CoV-2-Infektion bei Kindern und Jugendlichen bleibt unentdeckt, berichtet das Ludwig Boltzmann Institut für Lungengesundheit in Wien. Die Folge: Mehr Kinder als bisher angenommen tragen Covid-19 unbemerkt nach Hause und infizieren ihre Familien.
Eine Lösung sieht das Team in einer konsequenten, bundesweiten Einführung von PCR-Tests an allen Schulen "mindestens zwei Mal wöchentlich", sagt Studienleiterin Marie-Kathrin Breyer vom Ludwig Boltzmann Institut für Lungengesundheit zur "Wiener Zeitung". Derzeit werden PCR-Tests nur an Schulen in Wien und im Burgenland durchgeführt. Im pandemisch besonders stark betroffenen Westösterreich kommen nach wie vor die weniger sensiblen Antigen-Tests zum Einsatz. In einer Langzeit-Studie zur Gesundheit an Lunge und Herz sowie zum körperlichen und gesellschaftlichem Wohlbefinden ("Lead"-Studie) beobachtet das Team 20.000 Personen seit dem Jahr 2012. Das Ziel ist, Ursachen und Hintergründe von Lungenerkrankungen, wie COPD oder Asthma, zu finden, Betroffenen neue Behandlungsmethoden zu eröffnen und Lungenerkrankungen zu vermeiden.
Im Rahmen dieser Studie wurde untersucht, wie hoch der Anteil der Kinder und Jugendlichen von sechs bis 20 Jahren in Wien ist, der bereits mit Sars-CoV-2 infiziert war. Getestet wurden 633 junge Menschen im Oktober, also kurz nach der Einführung von PCR-Tests zum Schulstart in Wien.
Davor waren durch Testungen bei rund zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen in dieser Altersgruppe Infektionen mit Covid-19 festgestellt worden. Jetzt aber wurden Kinder und Jugendlichen untersucht, die bisher als nicht infiziert gegolten hatten. Das überraschende Ergebnis: Auch in dieser Gruppe lag der Anteil jener, die bereits eine Infektion durchgemacht, aber davon nichts mitbekommen hatten, bei rund zehn Prozent. Insgesamt hatten also etwa 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Wien bereits Covid-19, die Hälfte davon unwissentlich, weil Antigen-Tests die Infektionen nicht angezeigt hatten.
"Impfung der einzige Weg"
"Zahlreiche Eltern können es sich nicht aussuchen, ob ihre Kinder zu Hause bleiben oder nicht, weil sie arbeiten müssen und sie keine Betreuung haben", sagt Breyer. Für die aktuelle Situation sei es "ganz wichtig, dass wir weiterhin auf PCR-Tests setzten, und zwar an jeder Schule in Österreich".
Im Detail konnten die Forschenden von der Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten der Klinik Penzing zeigen, dass zu den 9,3 Prozent der "wissentlich Covid-positiven" Wiener Kinder unter zwölf Jahren weitere 8,8 Prozent "nicht wissentlich infiziert" waren. Damit sei der Anteil der Kinder, die bereits eine Sars-CoV-2 Infektion durchgemacht haben, doppelt so hoch wie angenommen. Betroffen ist fast jedes fünfte Schulkind in Wien.
Unter den Jugendlichen zwischen zwölf und 20 Jahren ist die Zahl noch höher: Bei ihnen war mittels Antigen- und PCR-Testung seit Beginn der Pandemie wienweit ein Anteil von 12,4 Prozent Infizierter entdeckt worden, jedoch hatten 13,7 Prozent die die Infektion durchgemacht, ohne es zu wissen. "Insgesamt hatten also rund 26 Prozent der Jugendlichen bereits Sars-CoV-2 und nicht, wie angenommen, nur 12,4 Prozent. Die Dunkelziffer ist auch in dieser Altersgruppe ebenso hoch wie die Zahl der diagnostizierten Fälle", sagt Breyrer, und: "Nicht nur, dass eine Sars-CoV-2 Erkrankung bei Kindern nicht immer komplikationslos verläuft, sondern es sorgen die Kinder und Jugendlichen auch für eine weitere Verbreitung des Virus". Zum Schutze aller "ist die Impfung der einzige Weg".