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78 Millionen Menschen sind in der EU armutsgefährdet. | Kinderarmut in Österreich liegt bei 15 Prozent. | Brüssel. Auch die Hochkonjunktur der letzten Jahre konnte offenbar nichts an der Armut in der EU ändern. Während die Finanzminister über immer mehr ausgeglichene Staatshaushalte in der Union frohlocken, gelten 78 Millionen EU-Bürger oder 16 Prozent der Gesamtbevölkerung als armutsgefährdet - die Hälfte davon, obwohl sie einer Beschäftigung nachgehen.
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Besonders alarmierend: Laut dem am Montag von Sozialkommissar Vladimir Spidla vorgestellten Bericht über soziale Sicherheit ist fast jedes fünfte Kind von Armut bedroht. Von den 19 Millionen betroffenen Kinder leben zehn Prozent in Haushalten in denen keine Erwachsener in einem Beschäftigungsverhältnis ist. Österreich steht im EU-Vergleich zwar ganz gut da, immer noch 15 Prozent der Kinder leben allerdings in Haushalten mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens und können daher nicht wirklich am sozialen Leben teilnehmen.
Österreich gehört mit Dänemark, Finnland, Schweden, den Niederlanden, Slowenien und Zypern aber noch zur Spitzengruppe jener Länder, die über relativ niedrige Arbeitslosigkeitsquoten und effektive Transferleistungen zur Reduzierung der Armut verfügen. So ist Österreich vor allem bei letzteren ganz vorne dabei: Knapp 60 Prozent der von Armut bedrohten Unter-17-Jährigen fängt der Staat ab. Besser funktioniert das nur noch in Deutschland und Finnland.
Frühes Erwerbsende
Besonders stark sind Kinder dafür in Polen und Lettland bedroht. Dort sind laut Daten aus dem Jahr 2006 rund 26 Prozent der Kinder durch Armut gefährdet. Auch einige westliche EU-Staaten, darunter Italien, Großbritannien und Spanien, erreichen 24 bis 25 Prozent. Das Fatale sei, dass die in Armut aufgewachsenen Kinder häufig schlechtere Qualifikation und weniger gut bezahlte Jobs erhielten und daher der Bedrohung durch die Armut oft auch später nicht entkommen könnten, so der Schluss des Berichts.
Gerade hier müssten weitere Maßnahmen ansetzen, sagt Spidla. Denn auch wenn die Sozialreformen in der EU Wirkung zeigten, dürften die Verletzlichsten nicht vergessen werden. Außer der Kinderarmut prangerte der Kommissar vor allem die Ungleichheiten in den Gesundheitssystemen an. So liegt die Lebenserwartung von Männern in der EU zwischen 65,3 Jahren in Litauen und 78,8 Jahren in Zypern und Schweden. Frauen werden zwischen 76,2 (Rumänien) und 84,4 Jahre (Frankreich) alt. Österreich schneidet mit einem Durchschnittsalter von 77,2 Jahren für Männer und 82,8 Jahren für Frauen recht gut ab.
Interessant ist, dass die Österreicher zwar lange leben, aber dafür recht früh unter einer Erwerbsunfähigkeit leiden. Männer sind davon im Schnitt mit 57,8 Jahren betroffen, Frauen mit 59,6. Mehr als 25 Prozent der Österreicher scheiden wegen chronischen Krankheiten oder Arbeitsunfähigkeit aus dem Erwerbsleben aus. Und auch EU-weit "machen diejenigen, die Vorruhestandsleistungen in Anspruch nehmen, rund 20 Prozent der Bevölkerung von 55 bis 64 Jahren aus", schreiben die Beamten von Spidla.