Wie Arbeitnehmer länger und gesünder im Job bleiben.
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Wien. Die Unternehmensberaterinnen Irene Kloimüller und Renate Czeskleba leiten gemeinsam das vor kurzem gegründete Institut für Arbeitsfähigkeit. Mit der "Wiener Zeitung" sprachen sie darüber, worauf es ankommt, damit Arbeitnehmer möglichst lange gesund im Arbeitsprozess bleiben können.
"Wiener Zeitung": Frau Czeskleba, Sie haben einmal in einem Interview gesagt, Ihre Vision ist die vom Bauarbeiter, der mit 65 Jahren gesund in Pension geht. Ist das nicht eine Illusion?Renate Czeskleba: Ich habe das damals sicherlich provokant und auch ein bisschen zynisch gemeint, weil Bauarbeiter bekanntermaßen dieses Ziel nicht schaffen, österreichweit nicht und weltweit nicht. Doch jedes halbe Jahr, das ein Bauarbeiter länger gesund bleiben kann, ist ein Gewinn und kommt dieser Vision näher.
Sie beide haben das mehrjährige Projekt "Fit für die Zukunft" im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt und der AUVA geleitet, jetzt sind Sie im Auftrag des Sozialministeriums für die Betriebsberatung im Rahmen des fit2work-Programms zuständig. Dabei geht es schwerpunktmäßig um die Förderung der Arbeitsfähigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Betrieben. Was versteht man darunter, wie misst man sie?Irene Kloimüller: Arbeitsfähigkeit ist das Zusammenspiel von persönlichen Ressourcen und Arbeitsbedingungen. Ein international anerkannter Maßstab dafür ist der in Finnland in den 1980er Jahren entwickelte Arbeitsbewältigungsindex ABI. Mittels eines Fragebogens wird ein individueller, statistischer Wert zwischen 49 und 7 Punkten ermittelt. Es wird zum Beispiel gefragt, wie die derzeitige Arbeitsfähigkeit im Vergleich zur besten jemals erreichten Arbeitsfähigkeit eingeschätzt wird, oder wie man mit den Arbeitsanforderungen klarkommt. Bei den 20 Unternehmen, die an "Fit für die Zukunft" teilgenommen haben, lag der Wert durchschnittlich bei guten 41 Punkten.
Sie haben im Rahmen dieses Programms eine Serie von Interviews mit 7300 von den insgesamt 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern geführt. Das Ergebnis stimmt hoffnungsfroh: Mit gezielten Maßnahmen kann man die Arbeitsfähigkeit, die bekanntlich mit zunehmendem Alter abnimmt, auch bei älteren Menschen noch beachtlich steigern, sodass sie - in Lebensjahren gemessen - um Jahre jünger werden. Welche Maßnahmen sind das?Renate Czeskleba: Man kann an mehreren Schrauben drehen. Nehmen wir zum Beispiel die Arbeitszeit. Die bewusste Gestaltung von Pausen, kürzere Nachtschichten oder individuelle Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung für Ältere haben positive Effekte. Besonders wichtig ist dabei, dass die Vorgesetzten nicht nur reden, sondern auch vorleben, wie Arbeitsfähigkeit erhalten und gefördert werden kann. Gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmedizin der Medizinischen Universität Wien bauen wir gerade den Masterlehrgang "Arbeitsfähigkeit erhalten und Betriebliches Eingliederungsmanagement" auf.
Sie haben gemeinsam mit internationalen Experten den ABI zum ABI Plus weiterentwickelt und konnten Professor Juhani Ilmarinen vom finnischen Institut für Arbeitsmedizin dafür gewinnen, sich daran zu beteiligen. Wieso interessieren sich gerade die Finnen so sehr für dieses Thema? Irene Kloimüller: Finnland ist das Land in Europa, das am schnellsten gealtert ist. Und es ist im Unterschied zu den anderen skandinavischen Ländern kein Zuwanderungsland. Daher hat man sich dort schon sehr früh die Frage gestellt: Woran kann man erkennen, ob Menschen gefährdet sind, krankheitsbedingt aus dem Job auszusteigen oder nicht.
Und mit dem ABI kann man das?
Ja. Die Finnen haben hunderttausende Arbeitnehmer über Jahrzehnte hindurch beobachtet. Menschen mit einem niedrigen ABI werden zu 38 Prozent innerhalb der folgenden fünf Jahre invalide und müssen in Frühpension gehen. Im Gegensatz dazu passierte dies nur ein Prozent der Personen mit einem hohen ABI.