Eine ehemalige BMI-Beamtin holt zum Rundumschlag gegen die ÖVP aus.
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Es war die wohl auskunftsfreudigste Zeugin, die im BVT-Untersuchungsausschuss bisher befragt wurde: Isabella F., karenzierte Beamtin im Innenministerium (BMI), referierte am Mittwochnachmittag ausführlich und lange zum Komplex eines möglichen "schwarzen Netzwerks" aus ÖVP-nahen Beamten im BMI wie im Verfassungsschutz (BVT) – teils auch ungefragt und von erheblichen Dissonanzen begleitet, vor allem auf Seiten der ÖVP-Fraktion.
Was die nun als Unternehmerin in Deutschland tätige Polizeibeamtin aussagte, kommt einer Generalabrechnung mit dem zwischen 2000 und 2018 von der ÖVP geführten Innenministerium gleich.
Wie auch Frau H., eine ehemalige BVT-Analystin, die am Dienstag befragt wurde, scheiterte auch F. beim Versuch, einen aus ihrer Sicht adäquaten Posten im BMI zu bekommen. Sie selbst komme aus einer ÖVP-Familie, aber "ÖVP, das ist mir gründlich ausgetrieben worden, wie ich gesehen habe, was die im BMI machen", sagt F, die den Rang eines Oberst der Polizei innehat. "Wer im BMI was werden wollte, hat es tunlichst unterlassen, sich zu bewerben."
Schließlich seien die im BMI ausgeschriebenen Posten bereits im Vorhinein fix für gewisse Personen reserviert, sagt F.. Die jeweiligen Bewerber hätten teilweise sogar an den Ausschreibungen selbst mitgeschrieben, um sie auf sich selbst quasi maßzuschneidern. Als sie zuletzt wieder übergangen wurde, habe sie sich gesagt, "dieses Mal ziehe ich es durch" und habe sich bei der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG), deren Mitglied F. ist, und bei der Gleichbehandlungskommission beschwert – erfolglos. F. macht auch kein Hehl daraus, dass ihre eigenen Erfahrungen und ihre "langjährigen Beobachtungen" im BMI den Ausschlag gaben, vor dem U-Ausschuss auszusagen.
Das "System Kloibmüller"
Ausführlich erzählt F. vom "System Kloibmüller", gemeint ist der ehemalige ÖVP-Kabinettschef Michael Kloibmüller, der im anonymen "Konvolut" aus Vorwürfen gegen führende BMI und BVT-Beamte als zentraler Kopf eines "schwarzen Netzwerks" dargestellt wird. Wer nicht "rot-weiß-rot" sei - ein Synonym für ÖVP-Nähe, wie ein internes Mail aus dem BMI, vorgelegt von den Neos, zeigt - habe ohnehin keine Chance. "Sakrosankt" seien Kloibmüllers Vertrauten im BMI gewesen, inklusive Kloibmüllers Frau, die mittlerweile, wie auch ihr Mann, das Ministerium verlassen hat. "Dass Kloibmüller selber kein Politiker war, ist klar, aber irgendwer muss ja die politische Richtung umsetzen, damit das BMI so funktioniert, wie sich das die Partei, die für das BMI verantwortlich ist, vorstellt." Die "uneingeschränkten Anschaffer" seien die Kabinettsmitarbeiter gewesen, sagt F.
Das anonyme "Konvolut" hält Frau F. übrigens für weitestgehend stimmig. Die Spitze des BMI, inklusive Kloibmüller, sie auch "zusammengestanden" und habe "überlegt, was man jetzt tun kann, damit da nicht rauskommt", behauptet sie. Ein BMI-Beamter, dessen Dienststelle aber in Tirol liege, sei sogar eigens mit der Prüfung des "Konvoluts" beauftragt worden. Das alles sei aber eben mündlich geschehen, denn "jedes Schriftal a Gifterl", das habe sie schnell gelernt, "in so einem Amt".
Auch die Autoren des "Konvoluts" will F. kennen, zumindest hat sie eine Vermutung. Martin W., Abteilungsleiter im BVT, sei höchstwahrscheinlich federführend beteiligt gewesen. Aber auch Ex-BVT-Chef Gert-René Polli habe mitgeschrieben, behauptet F..
F.: EGS-Einsatz berechtigt
Wieso sie sich da so sicher sei? Einerseits müsse das "Konvolut" jemand verfasst haben, der oder die schon lange im BVT tätig war, weiters wisse sie auch, dass Martin W. mehr wollte, als nur die Abteilungsleiter-Position. W. habe "den Einblick, die nötige Ausdrucksweise und auch eine nötige Wut", um die Vorwürfe im "Konvolut" aufzuschreiben. "Dann aber braucht es auch Leute, die schon länger dabei sind als W.", wie eben Polli, sagt F.
Dass die Polizei-Einsatzgruppe EGS unter Wolfgang Preiszler, der selbst FPÖ-Gemeindepolitiker in Guntramsdorf ist, bei der Razzia im BVT zum Zug kam, sei für sie logisch. Schließlich sei das, was unter der ÖVP im BMI passierte, auch in anderen Ämtern ähnlich gelagert. "Beim BAK (Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung) und bei den Landeskriminalämtern hätte man gar nicht anfragen brauchen", sagt F.. Auch die leitende Staatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ursula Schmudermayer, hatte in einer ihrer beiden Aussagen vor dem U-Ausschuss in diese Kerbe geschlagen: Die EGS sei zum Zug gekommen, da es auf Basis des "Konvoluts" den Verdacht gab, dass sowohl das BAK als auch andere Polizeidienststellen nicht vertrauenswürdig gewesen waren.
Es hänge jeweils von den Führungspersönlichkeiten in den jeweiligen Institutionen ab, ob diese den Missständen entgegentreten würden – oder eben nicht, sagt F. "Bei manchen geht es lustig zu, bei manchen weniger lustig, sagen wir mal so."
ÖVP gerät unter Druck
Die Oppositionsparteien zeigen sich in der Folge erstaunt über die Offenheit und Ausführlichkeit, mit der F. die Zustände im Innenministerium schildert. Die FPÖ gibt sich eher verhalten, bei der ÖVP, allen voran bei Fraktionsführer Werner Amon, sorgt F.s Aussage für Verärgerung. Amon verlangt Beweise von F., sie soll ihre Anschuldigungen belegen. Mehrmals strengt er eine Geschäftsordnungsdebatte an, vermutet, dass die von Neos-Fraktionschefin Stephanie Krisper vorgelegten Emails auf ihre Berechtigung geprüft werden, diese lägen außerhalb des Behandlungszeitraums des Ausschusses. F. schlägt zudem weitere Auskunftspersonen vor, ehemalige Kollegen, von denen F. sagt, dass sie Wesentliches zur Aufklärung des "schwarzen Netzwerks" im BMI beitragen könnten. "Haben Sie von einer Partei eine Zusage, dass eine dieser Personen in den U-Ausschuss geladen wird?", will Werner Amon wissen. Zum Abschluss lieferte sich Frau Oberst F. noch ein Wortgefecht mit der ÖVP-Fraktion, ihr sei das Wort im Mund umgedreht worden, sagt sie. "Das muss ich mir jetzt nicht gefallen lassen!". Der Verfahrensrichter unterbindet das Wortgefecht.