Seit dreißig Jahren beschränken Abkommen den freien Handel mit Textilien und Bekleidung. Die Quotenregelungen laufen heute um Mitternacht aus. Zeitlich und auf bestimmte Warengruppen beschränkt gelten zwar Exportzölle - "made in China" könnte demnächst aber auf jedem zweiten Kleidungsstück stehen, schätzt unter anderem die Welthandelsorganisation (WTO). China, das in diesem Jahr zur drittgrößten Handelsnation nach den USA und Deutschland aufgestiegen ist und damit Japan hinter sich gelassen hat, ist das Schreckgespenst der weltweiten Textilbranche. Sie fürchtet "unfairen Wettbewerb".
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Auch mittelgroße Produzentenländer in Asien, Afrika und Osteuropa werden die Folgen spüren, die der Wegfall der Quoten bringen wird. Sind die Handelsbeschränkungen einmal weg, wird China neben Indien der große Gewinner sein. Davon geht nicht nur die Textilbranche des Nordens aus, auch Weltbank, WTO und Nichtregierungsorganisationen sind dieser Ansicht. Und China selbst.
Die Volksrepublik beharrte darauf, die Exportquoten mit 1. Jänner 2005 auch tatsächlich abzuschaffen. Die WTO müsse ihren Beschluss von 1995 umsetzen, betonte Cao Xinyu, stellvertretender Direktor der chinesischen Handelskammer für Import und Export von Textilien, im Juli. Einigen WTO-Mitgliedern war und ist die Aussicht eines freien Textilmarktes gar nicht Recht. Sie forderten, die Liberalisierung hinauszuschieben, auch wenn das erklärte Ziel der Handelsorganisation ist, Wettbewerbshindernisse unter den Mitgliedsländern aufzuheben. Das Argument der Kritiker: Als die WTO beschlossen habe, die Quoten auslaufen zu lassen, gehörte China nicht der WTO an. China ist 2001 der WTO beigetreten. Die Kritiker erklären, China sei nicht in die damaligen Berechnungen des kommenden liberalisierten Textilhandels eingeflossen.
Im auslaufenden Jahr hatte China mit Ausfuhren von 95 Mrd. US-Dollar einen Weltmarktanteil von 20%. Dieser Anteil könnte auf 50% steigen, schätzt die WTO. "China subventioniert stark. Es wurde wahnsinnig viel investiert, die Produktionsbedingungen sind unvergleichbar. Die Energiekosten sind niedrig, Umweltschutz ist kaum Thema, ganz zu schweigen von den Lohnkosten. Dieser unfaire Wettbewerb wird nicht ohne Auswirkungen bleiben", sagt Wolfgang Zeyringer, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbandes Textilindustrie der Wirtschaftskammer, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zeyringer könne zwar keinen heimischen Betrieb nennen, der Teile seiner Produktion auslagern werde. Arbeitsplätze könnten dennoch verloren gehen: In den ersten neun Monaten 2004 sind die Importe aus China um 14% auf 103,16 Mio. Euro gestiegen. Sie machten 4,8% der gesamten Einfuhren aus.
In der EU rechnet die Branche, dass mindestens 5% der 2,4 Mio. Stellen gestrichen werden. "Die fast unbeschränkten Möglichkeiten, billig einzukaufen, ist sicherlich ein Vorteil für die großen Ketten", meint Zeyringer.
Vorteil für die Konsumenten
Kaufen Ketten billig ein, haben meist auch die Konsumenten etwas davon - auf Kosten anderer. Denn "billig" sind meist auch die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in den Herstellerbetrieben. Die philippinische Regierung hat etwa angekündigt, in der Textilindustrie auf den gesetzlichen Mindestlohn zu verzichten.
Bangladesch spiele mit dem Gedanken, die Zahl der erlaubten Überstunden zu erhöhen und die Beschränkungen für die Nachtarbeit zu lockern, teilte vor einiger Zeit der Internationale Verband der freien Gewerkschaften in Brüssel mit.
Aber auch teurere Ware muss nicht fairer produziert worden sein. "Oft profitieren die Markenhersteller", stellt Alexandra Strickner von der globalisierungskritischen Organisation Attac fest. Sie rät Konsumenten, in den Geschäften nach den Produktionsbedingungen zu fragen.
Gebremst
Vorerst ist China selbst auf die Bremse gestiegen: Am 1. Januar treten vorläufige Exportzölle für sieben Kategorien von Textilien in Kraft, die nach Menge oder Gewicht berechnet werden. Durchschnittlich betrage die Zollrate 1,3%, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Die Zölle dienen dazu, abrupte Veränderungen auf dem Weltmarkt durch chinesische Exporte zu verhindern - eine Selbstschutzmaßnahme: Peking rechnet andernfalls mit Schutzmechanismen der EU und der USA.
Die EU hat bereits ein "Monitoringsystem" eingerichtet. Importeure müssen beabsichtigte Einfuhren melden. "Was das bringt? Steigen bestimmte Exporte Chinas an, hat die EU im Gegenzug Schutzklauseln angekündigt", erklärt Zeyringer. Bevor China der WTO beigetreten ist, haben die EU und die USA eine "Textilschutzklausel" ausgehandelt, die im Fall des Falles Einfuhrbeschränkungen bis 2013 ermöglicht. n