Die weitgehend friedliche Machtübergabe im Jemen lehrt einige Lektionen, an denen sich Ägypten, Syrien oder Libyen ein Beispiel nehmen könnten.
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Zwischen den turbulenten Berichten über den Arabischen Frühling wirkte die Feier im Jemen vergangenes Wochenende so ruhig, dass man sie kaum bemerkte. Sie stand aber im Zeichen des Übergangs der Macht von einem alternden Autokraten, der das Land 34 Jahre lang regiert hat, zu einem neuen Führer, der in Sachen Reformen die richtigen Worte findet. Der Regimewechsel lässt einiges offen und wirft auch einige Fragen auf, er ist ein Produkt von Hinterzimmer-Verhandlungen und regionaler Realpolitik.
Aber gerade durch die fehlende Aufmerksamkeit bildet die Übergabe im Jemen einen Kontrapunkt zu den gewalttätigen und noch immer unsicheren Übergängen in Ägypten, Libyen und Syrien. Wie hat sich also die Geschichte im Jemen entwickelt und welche Lektionen lehrt sie, während die USA sich abmühen, mit den anderen Revolutionen in Arabien zu Rande zu kommen.
Jede Geschichte des Arabischen Frühlings ist anders. Ein "Jemen-Modell", das sich leicht kopieren lässt, gibt es nicht. Aber es gibt einige interessante Ansätze:
Zusammenarbeit mit regionalen Vertretern: Vermittler des Übergangs war der Gulf Cooperation Council. Der GCC hat sich in der Vergangenheit oft als lahmer Diskussionsverein erwiesen, aber unter dem bahrainischen Generalsekretär Abdul Latif al-Zayani findet die Organisation ihre Stimme. Die Arabische Liga hat einen ähnlichen Wandel durchgemacht, vom Diktatorenfreund zum Helfer des Wandels.
Terrorismusbekämpfung, ohne Truppen zu entsenden: Die starke Präsenz von Al-Kaida im Jemen setzte das Land ganz oben auf die Dringlichkeitsliste. Die USA haben schon vor einigen Jahren begonnen, Widerstand gegen Al-Kaida im Süden zu mobilisieren. Koordiniert wurde die Sache von John Brennan, dem Terrorabwehrchef des Weißen Hauses. Daran beteiligt waren aber auch Centcom-Befehlshaber, Diplomaten des Außenministeriums und CIA-Offiziere. Die Zusammenarbeit der einzelnen Behörden ist in den USA oft ein bloßes Lippenbekenntnis, während das Militär alles erledigt. Aber im Jemen gab es tatsächlich ein energisches gemeinsames Vorgehen, ohne dass ein ausländischer Soldat jemenitischen Boden hätte betreten müssen.
Auf Stammespolitik setzen: Die großen Stammesbünde konnten überzeugt werden, sich gegen Al-Kaida zusammenzuschließen. Die Jemeniten erörtern nun ein bundesstaatliches System, das die historischen Spannungen zwischen Norden und Süden verringern könnte. Weitere Punkte sind die Reform des Militärs und gute Kontakte zur Opposition.
Die Herausforderung im Jemen ist, den Übergang zu einem Abschluss zu bringen. Wie man in Ägypten sieht, kann das Protestieren zu einem Lebensstil werden. Khaled al-Anesi, einer der jemenitischen Anführer der Proteste, klagte in der "Washington Post": "Dieser Revolution ist man in den Rücken gefallen." Bleibt zu hoffen, dass Jemens neuer Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi sein Wort in Sachen Reformen halten wird, um dieses Gefühl des Betrogenseins zu lindern.
Übersetzung: Redaktion
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