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Jenseits der Heizschwammerln

Von Stefan Schleicher

Gastkommentare
Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Die Debatte über Outdoor-Heizungen fördert Defizite im Verständnis der Energiekrise zutage.


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In der nicht besonders erfolgreichen Suche nach Möglichkeiten für radikale Veränderungen im Umgang mit Energie bekam ein Fundstück unerwartete Aufmerksamkeit: Outdoor-Heizungen in Wintergastgärten, gemeint sind Heizpilze, bekannter unter der verniedlichenden Etikette Heizschwammerln.

Unerwartet ist diese Aufmerksamkeit auf den ersten Blick deshalb, weil in unserem Energiesystem viel größere Lecks zu stopfen wären, wie im Winter überhitzte und im Sommer unterkühlte Räume oder viele Verkehrsbewegungen mit Verbrennungsmotoren mangels alternativer Möglichkeiten. Trotzdem erweist sich diese energetische Pilzsuche als erfolgreich, weil sie Befunde zu etlichen Defiziten im Verständnis der aktuellen Energiekrise zu Tage fördert.

Das erste Defizit betrifft die mangelnde Datenlage. Einige Aussagen lassen sich aber trotzdem ausloten und mit eigenen Annahmen auf deren Robustheit überprüfen. Unterstellt man, dass ein Heizpilz eine Leistung von 2 kW hat und pro Tagsechs Stunden über eine Heizsaison von 150 Tagen in Betrieb gehalten wird, dann sind das 1.800 kWh Elektrizität pro Jahr oder die Hälfte des gesamten Elektrizitätsbedarfs eines Durchschnittshaushaltes. Zwei Heizpilze würden somit den Elektrizitätsbedarfs eines Haushaltes beanspruchen.

Wie viele solcher Heizpilze in Österreich aktiv sind, ist nicht leicht nachvollziehbar. Wenn ein Vertreter der Gastronomie von 10.000 solcher angeschaffter Geräte spricht, dann würden diese eben den Elektrizitätsverbrauch von 5.000 Haushalten konsumieren, eine wohl nicht zu unterschätzende Größe.

Das zweite Defizit betrifft die Einschätzung der Folgen der Nutzung von Elektrizität für Heizzwecke. Der Befund für Heizpilze lässt sich nämlich auf die in Haushalten reichlich vorhandenen Heizlüfter übertragen. Unter der vorsichtigen Annahme, dass nur ein Zehntel der Haushalte einen solchen Heizlüfter mit identischem Nutzungsverhalten wie einen Heizpilz betreibt, wäre die dafür notwendige Menge an Elektrizität identisch mit dem Gesamtverbrauch von Elektrizität von fünf Prozent aller Haushalte. Nicht nur dieses Volumen von Elektrizität ist beachtlich, auch die weiteren Folgewirkungen. In der Heizsaison steigt der Einsatz der mit Gas betriebenen Kraftwerke mit den Kältegraden und verschärft die prekäre Situation bei diesem Energieträger.

Das dritte Defizit verweist auf ein unvollständiges Verständnis der Kosten für die Bereitstellung von Elektrizität. Die Saisonkosten für einen Heizpilz oder Heizlüfter beginnen laut Tarifkalkulator der E-Control im Osten Österreichs bei 650 Euro, liegen aber meist über 1.000 Euro, für fast alle Haushalte und Gastrobetriebe substanzielle Kosten. Für die Bereitstellung von Elektrizität fallen aber im Winter vor allem zu den Tages- und Kältespitzen viel höhere Kosten an. Ein zu diesen Spitzenzeiten betriebenes Wärmegerät verursacht zusätzliche Kosten, die andere Elektrizitätsbezieher in den Tarifen überwälzt bekommen. Wer also nicht aus der eigenen Photovoltaik-Anlage die Heizgeräte und die Garageneinfahrt elektrisch beheizt, lässt somit zusätzlich noch den Rest der Abnehmer dafür mitzahlen.

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