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"Jenseits der Schmerzgrenze"

Von Ina Weber

Politik

Brief mit Lösungsvorschlag an Kanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer. | Vouk: Frist beim Europäischen Gerichtshof fordert rasche Lösung. | Wien. Erstmals ziehen die drei Slowenenorganisationen in Kärnten - der Zentralverband, die Gemeinschaft und der Rat - an einem Strang: Sie schickten am Montag einen Brief an Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer mit der Bitte um einen Gesprächstermin und einer entsprechenden Lösung im Kärntner Ortstafel-Streit. Nach ihren Vorstellungen müssten insgesamt 173 zweisprachige Ortstafeln in Kärnten stehen und eine Öffnungsklausel verfassungsrechtlich verankert werden. "Wenn die Regierung einen Konsens haben will, wird sie Kompromissbereitschaft jenseits der Schmerzgrenze zeigen müssen", meinte Rudi Vouk vom Rat der Kärntner Slowenen zur "Wiener Zeitung".


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Zur Erinnerung: Zentralverbands-Obmann Marjan Sturm hatte sich im Vorjahr beinahe mit der Regierung geeinigt. Die SPÖ stand knapp davor, dem Regierungsvorschlag mit 141 Ortstafeln, der verfassungsrechtlich verankert werden sollte, zuzustimmen. Doch im letzten Moment wurde Sturm vom Koordinationsausschuss, dem obersten Entscheidungsgremium der Slowenen, von Zentralverband und Rat, zurückgepfiffen. Die SPÖ, die ihre Zustimmung von den Slowenenverbänden abhängig machte, erteilte somit der Regierung eine Abfuhr.

Die damalige Öffnungsklausel sei eine "Zubetonierklausel" gewesen, sagte Vouk. Auch die Anzahl der Ortstafeln hätte "keine Systematik". Alle bisher vorgebrachten Varianten, wieviele zweisprachige Ortstafeln es geben soll, basieren auf dem Karner-Papier, das 158 Ortstafeln vorsieht.

Auch der neue Vorschlag mit den 173 Ortstafeln basiert auf dem Karner-Papier. "Zu den Ortschaften des Karner-Kompromisses kommen all jene dazu, wo der Verfassungsgerichtshof in unserem Sinne entschieden hat", sagte Sturm. Dadurch ergebe sich eben diese Zahl. Vouk präzisierte: Zu den 158 kämen 11 Tafeln dazu, die zwar im Vorschlag von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu finden waren, aber nicht im Karner-Papier und die über 25 Prozent Slowenenanteil haben. Vier weitere hat der VfGH zugunsten der Slowenen entschieden. Das sind Dellach, Buchbrunn, Edling und Hart.

Öffnungsklausel für

Slowenen unverzichtbar

Eine Öffnungsklausel ist für die Volksgruppe unverzichtbar. Konkret soll diese regeln, dass 10 Prozent der Ortsbewohner eine zweisprachige Ortstafel bei der Regierung beantragen können. Falls diese ablehnt, würde die Entscheidung von einem Gremium überprüft werden.

"Wir hoffen sehr, dass der Kanzler bald Zeit für uns findet", sagte Vouk. Ende April laufe nämlich die Frist vor dem Europäischen Gerichtshof ab. Bis dahin könnte die Volksgruppe eine Beschwerde einbringen. Konkret handelt es sich um St. Kanzian. Dort hat laut Vouk eine Unterschriftenaktion ergeben, dass 15 Prozent der Bewohner die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln fordern.

Die FPÖ werde sich gegen jede weitere Ortstafel wehren, erklärte Abgeordnete Karlheinz Klement dazu. Einen zweiten Ortstafelsturm schloss er nicht aus. "Wir würden alle Initiativen ergreifen, die notwendig sind", kündigte er an.

Gusenbauer hatte zuletzt angekündigt, auch ohne die Zustimmung aller Beteiligten eine Lösung auf Basis des Karner-Papiers anzustreben. Er richtete sich vor allem an den Rat der Kärntner Slowenen, der im Gegensatz zu den anderen beiden Organisationen die bisherigen Kompromisse abgelehnt hatte. Nachdem nun alle drei einig sind, bleibt offen, wie sich der Kanzler entscheidet.