Bei den Kommunalwahlen in Israel vom Dienstag hat die oppositionelle Arbeiterpartei in sechs der sieben größten Städte des Landes den Sieg davongetragen. In Jerusalem konnte sich Bürgermeister | Ehud Olmert vom regierenden Likud-Block mit 58 Prozent erfolgreich verteidigen, doch wird er künftig ganz auf die Unterstützung der ultrareligiösen Parteien angewiesen sein.
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Die Kandidaten von Olmerts Likud-Liste konnten sich nur zwei von 31 Sitzen im Gemeinderat sichern. Nach vorläufigen Ergebnissen vom Mittwoch eroberten religiöse Listen fast die Hälfte der Sitze im
Jerusalemer Gemeinderat.
In Tel Aviv siegte Ron Huldai von der Arbeiterpartei mit 52 Prozent der Stimmen. Der von der Arbeiterpartei unterstützte Yaacov Terner wurde in Beersheba mit 58 Prozent der Stimmen gewählt. In den 40
arabischen Gemeinden gelang es den kommunistischen Bürgermeisterkandidaten, sich gegen extreme Islamisten durchzusetzen.
Als Test für die zu erwartenden vorgezogenen Neuwahlen auf nationaler Ebene können die Kommunalwahlergebnisse aber nicht gelten. Die Wahlbeteiligung war bedenklich gering: nur rund 35 Prozent
aller Wahlberechtigten gingen Dienstag zu den Urnen. Das sind 10 Prozent weniger als vorher ohnehin schon sehr niedrig eingeschätzt worden war.
Aber es ist nicht die geringe Wahlbeteiligung, die keine Schlußfolgerungen für nationale Wahlen zuläßt, sondern die Themen. Es waren echte Kommunalwahlen und die Problemzonen sind in allen großen
Städten Israels die selben: stundenlange, tägliche Staus auf den Straßen für den Individualverkehr, Parkraumnot, unbefriedigende Lösungen für den öffentlichen Verkehr, der mit Abgasen und Lärm zu den
großen Umweltverschmutzern zählt, Müllbeseitigung, Schulraumnot und zuwenig Planposten für Lehrer, was zu überfüllten Schulklassen im öffentlichen Schulsystem führt, religiöser Zwang im Alltagsleben
zum Beispiel zur absoluten Einhaltung der Schabbatruhe auf Straßen und im Freizeitsektor, steigende Kriminalität, vor allem Eigentumsdelikte, und Gewalttätigkeiten zwischen nicht integrierten
Gesellschaftsteilen, zum Beispiel zwischen schon länger ansässigen Israelis und russischen Neueinwanderern.
Die Makro-Probleme des Landes, äußere Sicherheit gegen kriegerische Angriffe arabischer Staaten im Norden, Friedensprozeß mit den Palästinensern, Terrorbedrohung, Arbeitslosigkeit, hohes
Budgetdefizit, extreme Abhängigkeit der Wirtschaft vom Dollarkurs, Koordination und Trennung von Religion und Staat, spielten bei diesen Wahlen keine Rolle.
Signifikant ist noch, daß die beiden neuen der Arbeitspartei von Ehud Barak zugerechneten Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Chuldai, und Beersheba , Ya'akov Terner, als unabhängige Kandidaten, aber mit
Baraks Unterstützung auftraten. Haifas Bürgermeister, Amram Mizna, ist dagegen als offizieller Kandidat der Arbeitspartei ins Rennen gegangen. Die politisch am meisten verworrene Situation erlebte
Jerusalem: Ehud Olmert, Likud Kandidat, gewann klar vor dem offiziellen Kandidaten der Arbeitspartei. Im Wahlkampf und in seiner Stadtpolitik bisher stützte sich Olmert auf ultra-orthodoxe Stimmen,
was das Leben in der israelischen Hauptstadt in den letzten Jahren spürbar verändert hat. Sein säkularer und schon zu Lebzeiten legendärer Vorgänger Teddy Kollek, der immer auf den Ausgleich der
jüdischen und der arabischen Bevölkerung Jerusalems achtete, hat klar den Gegenkandidaten Shimon Shitrit unterstützt. Shimon Peres, bei Wahlen selbst niemals erfolgreicher Arbeitsparteipolitiker, hat
aus dem Hintergrund agiert: als Olmerts Erfolg mit Hilfe religiöser Unterstützung erkennbar wurde, riet er der Jerusalemer Arbeitspartei, entgegen dem Beschluß der Partei und Ehud Baraks, den eigenen
Kandidaten im Stich zu lassen und sich auf Olmerts Liste vier sichere Plätze einzukaufen.
Die arabische Bevölkerung nahm in Jerusalem nur zögernd an den Wahlen teil. Faisal Husseini, Jerusalems prominentester Palästinenser, sprach sich gegen die Wahlbeteiligung aus, obwohl auch arabische
Kandidaten eigenständig und auf anderen Listen um die Wähler warben: Die Wahlen seien illegal, weil die Annexion Jerusalems 1967 illegal erfolgte. Im Osten der Stadt wurde der propagierte
Generalstreik weitgehend eingehalten. Die Hamas hatte am Vortag Teilnehmern an der Wahl "mit eiserner Faust" gedroht.