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"Abenomics" steht auf dem Prüfstand - bisher fehlen schmerzhafte Schritte.
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Tokio. "Alles, was Abe bisher getan hat, war schmerzfrei", sagte der US-Politologe und Japanexperte Gerald Curtis auf einer Pressekonferenz vor ausländischen Journalisten. "Aber jetzt brechen härtere Zeiten an", schob er im Hinblick auf die Zeit nach den Oberhauswahlen am 21. Juli nach.
Dann stehen längst benötigte Reformen an, auch solche, die politisch schwer durchsetzbar sind. Bis zu diesem Termin, so wurde Premier Shinzo Abe häufig unterstellt, sei er kontroversen Themen bewusst ausgewichen, um sich die Kontrolle über beide Kammern des Parlaments zu sichern. Nun muss er es schaffen, auch um Japan vor den Märkten nicht unglaubwürdig zu machen, seine Versprechen einzuhalten - zum Beispiel das jährliche Inflationsziel in zwei Jahren auf zwei Prozent zu verdoppeln.
Ob Abe mit seiner "Abenomics" getauften Wirtschaftsstrategie für härtere Zeiten gewappnet ist, muss er noch beweisen. Nachdem er mit seiner aggressiven Geldpolitik und expansiven Finanzpolitik überwiegend Zustimmung geerntet hatte, stieß das dritte Element seiner "Abenomics" - auf Wachstum abzielende Strukturreform - auf wenig Begeisterung. Die Inhalte, etwa die Förderung von Frauen am Arbeitsplatz, waren zu wenig konkret. So könne Japan kein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreichen und die Deflation überwinden, sagte Hisashi Yamada, Chefvolkswirt beim Japan Research Institute dem "Wall Street Journal".
Kritik an der Strategiedes Premierministers
Abe beeilte sich nachzuschieben, dass er bis Herbst Details bekannt geben wolle. Die Industrie erhofft sich etwa eine Entschärfung des Kündigungsrechts. Curtis gibt nicht viel auf Abes Wachstumsstrategie: "Sie müssen anschauen, was er tut, nicht, was er sagt. Passen Sie auf, wenn er Versprechungen macht, Kommissionen oder Arbeitskreise einberuft. Sie haben nicht genug Bedeutung."
Entscheidend für Abes Erfolg wird auch werden, ob der Premier die geplante Mehrwertsteuererhöhung durchsetzt. Ein solcher Schritt kostete 1997 bereits Premier Ryutaro Hashimoto den Sieg bei der nächsten Wahl. Die Steuererhöhung soll der ostasiatischen Inselnation dabei helfen, ihren Schuldenberg zu reduzieren. Allerdings befürchten manche Ökonomen, dass sie das Wirtschaftswachstum dämpft. Professor Koichi Hamada, der als Architekt der "Abenomics" gilt, sagte dem TV-Sender Nikkei CNBC Japan dazu: "Obwohl die Erhöhung der Konsumsteuer für die japanische Wirtschaft eine Belastung sein wird, sollten dabei auch die schwierigen steuerlichen Rahmenbedingungen beachtet werden." Er forderte als Reform eine Kürzung der Körperschaftssteuer, um die Wirtschaft zu stützen.
Für Herrn und Frau Watanabe, die japanischen Durchschnittsbürger, hat "Abenomics" bis auf die bessere Stimmung im Land wenige Vorteile gebracht. Die Gehälter sind trotz Appellen von Abe nur in wenigen Firmen gestiegen. Von Energieimporten abhängige Industrien wie die Fischerei leiden unter der Abschwächung des Yen. Und seit Abe verkündet hat, den Verhandlungen über ein transpazifisches Freihandelsabkommen unter Führung der USA teilzunehmen, fürchten Japans Bauern - die Stammwähler der LDP - um ihren Lebensunterhalt. Bisher sind ihre Produkte wie Reis durch sehr hohe Einfuhrzölle geschützt.
Hiroshi Hoshi, der Japans Politik für die Zeitung "Asahi Shimbun" kommentiert, sagte angesichts der Liste an Aufgaben, die der Premier vor sich hat: "In Abes Schuhen möchte kein Politiker der Welt stecken."