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Jetzt Debatte um "Stabilitätspakt II"

Von Helmut Dité

Wirtschaft

Einen Tag nach der - vielfach erwarteten - Niederlage der EU-Kommission im Defizit-Streit mit Deutschland und Frankreich begann inmitten heftiger politischer Reaktionen - "Schwarzer Tag für Europa", "schwerwiegender Fehler" - die Diskussion um einen "neuen Stabilitätspakt" ab 2005, dem Jahr, in dem die beiden Defizitsünder wieder unter die 3%-Grenze zu kommen versprachen.


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Nach dem umstrittenen Aussetzen der Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich mehren sich die Rufe nach einer Reform des EU-Stabilitätspaktes. Der französische Finanzminister Francis Mer regte am Mittwoch an, den Pakt 2005 einer Revision zu unterziehen. Die Gemüter müssten sich jetzt abkühlen, und nach einigen Jahren Erfahrung sollte darüber nachgedacht werden, wie das Regelwerk auf demokratische Art verbessert werden könnte.

Auch von der italienischen Regierung wurden Reformabsichten geäußert. "Diejenigen, die sich hartnäckig einer Überarbeitung des Stabilitätspakts widersetzt haben, tragen jetzt die Verantwortung", meinte Europaminister Rocco Buttiglione. "Pakt eins ist abgeschlossen. Wir müssen die Parameter für einen Pakt zwei ändern, weil der erste für zu einschränkend befunden wurde", sagte Staatssekretär Gianluigi Magri.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte, in konjunkturschwachen Phasen sollte der Stabilitäts- und Wachstumspakt anders ausgelegt werden als in Wachstumsperioden. "Ich halte den Pakt nicht für dumm, ich halte ihn nur für interpretationsnötig, aber auch -fähig", sagte er, auf eine Äußerung von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi anspielend. Dieser hatte die Regeln vor einem Jahr als dumm bezeichnet und damit die Diskussion über den finanzpolitischen Rahmen der Währungsunion angeheizt.

Spaniens Finanzminister Rodrigo Rato, der mit Finnland, Österreich und den Niederlanden an der Seite der unterlegenen EU-Kommission gestanden hatte und auch Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) sahen durch das Vorgehen der Finanzminister die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen und das Vertrauen in die Währungsunion gefährdet.

Andere EZB-Ratsmitglieder reagierten gelassen. Die Lösung sei nicht elegant, aber ein Verhängen von Sanktionen hätte die EU-Länder gespalten und den Stabilitätspakt völlig in Frage gestellt, sagte der finnische Notenbankpräsident Matti Vanhala. Tommaso Padoa-Schioppa vom EZB-Direktorium zeigte sich optimistisch, dass der Kurs der Haushaltskonsolidierung auch nach diesem "Schluckauf" beibehalten werde. Belgiens Notenbankchef Guy Quaden dämpfte Befürchtungen, die EZB könne auf die schwindende Disziplin in der Finanzpolitik mit höheren Leitzinsen reagieren: "Wir werden die Eurozone nicht bestrafen, weil einige Mitgliedsländer die Spielregeln nicht einhalten."

Der Verzicht auf EU-Sanktionen gegen die Defizitsünder ließ den Devisenmarkt am Mittwoch kalt: Von einer kurzfristigen Euro-Vertrauenskrise sei nichts zu spüren. Im Gegenteil: Am Mittwoch notierte der Euro sogar wieder deutlich über der Marke von 1,18 Dollar. Zur Zeit seien andere Themen wichtiger als die Entscheidung des EU-Ministerrats, sagen Devisenhändler. "Der Kompromiss ist nur die offizielle Bestätigung, dass sich keiner mehr um die Stabilität schert", sagte ein Devisenexperte. "Das wusste sowieso schon jeder, und deshalb hat es im Augenblick keine Auswirkung". Der Euro werde schon allein deshalb nicht schwach, weil die Amerikaner keinen starken Dollar wollte, hieß es.

Die EU-Kommission hat unterdessen eine neue "Initiative" zur Verbesserung der Wirtschafts- und Finanzpolitik angekündigt. Nach einer Sondersitzung am Mittwochnachmittag erwähnte Kommissionspräsident Romano Prodi den zuvor erwogenen Gang der Kommission zum Europäischen Gerichtshof nicht, er bekräftigte lediglich sein "Bedauern".