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Jetzt dürfen wir uns auch kaufen lassen

Von Judith Belfkih

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Es ist ein problematischer Richtungsentscheid für eine Branche, die derzeit ohnehin unter Rechtfertigungsdruck steht: Der Oberste Gerichtshof sieht bei Gefälligkeitsartikeln, die im Gegenzug für gebuchte Inserate erscheinen, keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht. In der Praxis heißt das, dass die im Qualitätsjournalismus hochgehaltene Trennung von redaktionellen Inhalten und Inseraten immer mehr verschwimmt. Ganz offiziell.

Firma X kauft bei Zeitung Y also ein Inserat. Die Zeitung schreibt in der Folge einen - wohlwollenden - Artikel. Käuflicher Journalismus, hart an der Grenze zum Marketing. Jetzt leben Zeitungen großteils von Inseraten, das ist bekannt. Doch die strikte Trennung von Journalismus und Werbung unterband bisher einen Übergriff auf Redaktionen weitgehend.

Die Kennzeichnungspflicht dieser Gegengeschäfte wurde nun rechtlich neu definiert und umfasst Veröffentlichungen "aus bloßer Gefälligkeit" nicht. Im Boulevard war diese Grenze schon immer mehr als verschwommen, doch das schlechte Beispiel könnte Schule machen. Jedenfalls wirft es ein fragwürdiges Licht auf eine Branche, die nach wie vor mit dem Vorwurf der "Lügenpresse", also einer bewusst selektiven Wahrnehmung der Welt, zu kämpfen hat. Mit dem Urteil haben sich die Höchstrichter auch von der jahrzehntelangen Vorstellung eines objektiven Journalismus verabschiedet. Der durchschnittliche Leser gehe sowieso davon aus, dass Journalismus subjektiv sei, so die Argumentation. In einer Blase sitzen und sich auch noch kaufen lassen dürfen - unter diesen Parametern sieht die Zukunft des Journalismus nicht rosig aus.