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Jetzt einmal bissl brav sein

Von Christina Böck

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Daniel Barenboim geht es wahrscheinlich auch nicht anders als allen anderen. Weil: wer ist kein nervöses Wrack in diesen letzten Stunden vor Weihnachten. Man hat es grundsätzlich dann eilig, wenn tausende Menschen, die vor einem gehen, es aus unerfindlichen Gründen nicht eilig haben, der Lebkuchenteig ist schon wieder aus und den letzten Schnaps beim Christbaumstandler hätte man, so wie übrigens letztes Jahr auch, nicht mehr annehmen sollen. Nun ist das vielleicht dem Dirigenten nicht genau in dieser Reihenfolge so zugestoßen. Aber eventuell hat auch bei ihm der Vorweihnachtsstress ein bisschen an den Nerven aus Stahl gesägt. Denn am Montag Abend verlor Barenboim seine sonst übliche Contenance. Eine Zuhörerin hatte bei seinem Klavierkonzert in der Scala fotografiert - mit Blitzlicht. Barenboim unterbrach die Aufführung und wandte sich an die Frau: "Ich versuche Ihnen das Beste zu geben, aber Sie haben keinen Respekt. Ich sage es bei jedem Konzert, oft im scherzhaften Ton. Jetzt sage ich es in ernstem Ton. Wer bei Konzerten fotografiert, ist ungezogen." In der strengen Diktion muss die Frau ja froh sein, wenn ihr das Christkind heuer überhaupt etwas bringt. Barenboim ist aber nicht der Erste, der in letzter Zeit unhöfliche Zuseher zurechtweist, weil sie ihre Handys nicht in der Tasche lassen. Und er hat natürlich recht. Viele merken ja erst zuhause, dass ein Foto vom klavierspielenden Barenboim gar keine Musik mehr macht. Dasselbe gilt übrigens für die Eigenheim-"Stille Nacht" unterm Christbaum: Einfach genießen, auch wenn’s schwer fällt.