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Jetzt fix: EZB startet Zinswende im Juli

Von Karl Leban

Wirtschaft

Währungshüter haben im Kampf gegen hohe Inflation zunächst eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte im Visier.


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Bei seinem nächsten Treffen am 21. Juli wird es so weit sein: Da wird der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) erstmals seit elf Jahren die Zinsen erhöhen und damit die Zinswende im Euroraum einleiten. Wie das oberste geldpolitische Gremium der Notenbank am Donnerstag im Anschluss an sein diesmal in Amsterdam abgehaltenes Meeting ankündigte, soll zunächst eine Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte erfolgen. Im September wird der von Christine Lagarde geführte Rat dann noch einmal nachlegen. Bis Jahresende rechnet der Markt alles in allem mit bis zu vier Zinsschritten.

Mit Blick auf die rasant steigende Inflation in der Eurozone, die im Mai ein neues Allzeithoch von 8,1 Prozent erklommen hat, bleibt den europäischen Währungshütern derzeit auch nichts anderes übrig, als in Bälde damit zu beginnen, das Zinskarussell in Schwung zu bringen, um so die mittelfristige Preisstabilität zu sichern. Kritiker werfen der EZB vor, hier ohnehin schon viel zu lange zugewartet zu haben.

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In den USA und Großbritannien, wo ebenfalls massive Teuerungswellen rollen und die Kaufkraft der Konsumenten schmälern, sind die Zinsen bereits deutlich angehoben worden. In der Eurozone ist der Leitzins dagegen noch auf dem Rekordtief von null Prozent festgezurrt. Auch der Zins für Banken liegt nach wie vor bei minus 0,5 Prozent, wenn die Institute Gelder bei der EZB parken. Geht es nach Lagarde, soll mit den negativen Zinsen im Frühherbst Schluss sein.

Aus für Netto-Anleihekäufe

Um in einem vorbereitenden Schritt die Weichen für die ab Juli geplante Zinswende zu stellen, hat die EZB am Donnerstag beschlossen, ihre milliardenschweren Netto-Anleihekäufe zu beenden. Diese Entscheidung soll per 1. Juli wirksam werden.

Trotzdem hält sich die Notenbank in Sachen Bond-Käufe eine Tür offen. "Die EZB will jene Anleihen, die sie im Rahmen ihres Corona-Notfallprogramms Pepp gekauft hat, reinvestieren", sagt Monika Rosen, Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (ÖAG). "Das ist ihre Geste in Richtung Italien, um einem zu starken Anstieg der Renditen bei italienischen Staatsanleihen entgegenzuwirken."

Mit der nun absehbaren Zinswende in Europa ist somit durchaus auch die Gefahr einer neuerlichen Staatsschuldenkrise gegeben, wie die Wiener Analystin zwischen den Zeilen andeutet. Innerhalb der Eurozone drohen Italien, aber auch anderen hoch verschuldeten Ländern der südeuropäischen Peripherie nun teurere Refinanzierungen. "Die italienischen Renditen steigen bereits deutlich", so Rosen. "Der ,Spread‘ zu deutschen Bundesanleihen, die an den Märkten als Benchmark gelten, geht auf."

Unabhängig davon betont Rosen jedoch so wie andere Analystenkollegen auch: "Angesichts der hohen Inflation muss die EZB mit Zinserhöhungen reagieren." Als idealen Wert für Wirtschaft und Preise streben die Notenbanker in Frankfurt ja eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Von diesem Ziel sind sie inzwischen meilenweit entfernt, nachdem der Ukraine-Krieg die hohen Energiepreise zusätzlich befeuert hat und viele Lebensmittel, Rohstoffe sowie Vorprodukte für die Industrie empfindlich teurer geworden sind.

Neue Inflationsprognose

Zuletzt schien die Rekordinflation in der Eurozone jedenfalls kein Ende zu nehmen. Wie in diesem Zusammenhang am Donnerstag von EZB-Chefin Lagarde zu hören war, könnte in der Sitzung im September ein "größerer Zinsschritt" erfolgen, falls der mittelfristige Inflationsausblick unverändert bleibt oder sich verschlechtert. Statt einer Zinserhöhung um weitere 0,25 Prozentpunkte wären dann laut ÖAG-Analystin Rosen sogar 0,50 Prozentpunkte möglich. Lagarde betonte am Donnerstag, dass die Normalisierung der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik "nicht nur ein Schritt, sondern eine Reise" sei.

Auf Basis aktualisierter Prognosen rechnet die EZB für heuer mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 6,8 Prozent für die 19 Euroländer. Im März war sie noch von 5,1 Prozent ausgegangen – und im Dezember von 3,2 Prozent. Für 2023 erwarten die Volkswirte der Notenbank eine Preissteigerung von 3,5 Prozent (die März-Prognose lag noch bei 2,1 Prozent). Normalisierung ist erst für 2024 angesagt: Da sieht die EZB die Inflation im Währungsraum bei 2,1 Prozent (März: 1,9 Prozent).

Indes wird die Konjunktur europaweit an Fahrt verlieren – vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Nach der neuesten EZB-Vorhersage wird die Wirtschaft in der Eurozone im laufenden Jahr statt 3,7 Prozent (wie im März prognostiziert) nur noch um 2,8 Prozent wachsen. 2023 soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt um 2,1 Prozent zulegen (März: 2,8 Prozent) und ein Jahr später ebenfalls um 2,1 Prozent (März: 1,6 Prozent).