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Jetzt gilt das Recht des Stärkeren

Von Rainer Mayerhofer

Politik

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Die Schleusen, die die sogenannte "Koalition der Willigen" mit dem Krieg im Irak geöffnet hat, könnten schon bald zur "Gefahr für das Schicksal der Menschheit" werden - wie es Papst Johannes Paul II. am Wochenende deutlich artikuliert hat. Die Ungewissheit, ob nun die Türken gegen den Willen der Amerikaner bereits Truppen in die Nordirak entsendet haben, wie es Samstag hieß oder nicht, zeigt wie labil die Lage im ganzen vorderen Orient derzeit ist. Die Israelis ließen sich im Golfkrieg 1991 noch von den Amerikanern zurückhalten, die ein Auseinanderbrechen der Koalition - vor allem ein Ausscheren der Araber befürchteten. Die Türken könnten nun angesichts des schlechten Beispiels versucht sein, das Kurdenproblem auch jenseits ihrer Grenzen zu lösen und wer die türkische Handhabung von Minderheitenfragen kennt, kann nur das Schlimmste befürchten. Und dass im Nahen Osten im Schatten der Bomben auf Bagdad noch ganz andere Problemlösungen angegangen werden, ist auch nicht von der Hand zu weisen.

Mit Wahrheiten aus dem Kriegsgebiet wird die Weltöffentlichkeit ohnehin nicht verwöhnt. Voreilige Siegesmeldungen der Alliierten, Berichte über ein massenhaftes Überlaufen und langatmige Erklärungen aus Bagdad, wie tapfer man sich verteidige, kann jeder nach seinem Gutdünken beurteilen. Nicht einmal den Fotos aus dem Kriegsgebiet darf man uneingeschränkt glauben, obwohl das eine oder andere aber doch der Kriegszensur durchgerutscht sein dürfte. Etwa jenes, das zwei tote irakische Soldaten in einem Schützengraben zeigt, denen die gehisste weiße Fahne nichts genützt hat. Es ist in seiner dumpfen Erdfarbigkeit nicht so spektakulär wie die vom nächtlichen brennenden Bagdad, deren obszöne Ästhetik an Gemälde von William Turner erinnert. Und viel schöner - und deshalb auch mehr verwendet - sind jene von den guten Samaritern, die gefangene Irakis verarzten und laben.

Der oberste Kriegsherr George W. sieht angeblich nicht die Fernsehaufnahmen vom brennenden Bagdad, delektiert sich nicht wie einst Nero am Anblick des von ihm angezündeten Rom. Täte er es, bliebe ihm möglicherweise wieder ein "Pretzel" im Hals stecken.

Bisher konnten die Soldaten der "Koalition der Willigen" auch noch keine Massenvernichtungswaffen im Irak entdecken, deren angebliches Vorhandensein einer der behaupteten Kriegsgründe war.

Der weise alte Papst in Rom soll nur aufpassen, dass er mit seinem renitenten Festhalten an der Verurteilung der Gewalt nicht die Geheimdienste herausfordert, die Hellebarden der Schweizergarde als gefährliche Waffen entdecken zu lassen und prompt mit dem Vatikanstaat auf der Achse des Bösen landet. Gottseidank sprudeln in den Vatikanischen Gärten wenigstens keine Ölquellen, die Anlass zu Begehrlichkeiten werden könnten.