Übernahmeoffert von 69 Euro je Aktie. | Eder peilt einen mehrheitlichen Takeover an. | Raidl: "Haben Partner, der unser Geschäft versteht." | Wien. Knalleffekt im Poker um Böhler-Uddeholm: Jetzt will die Voestalpine den börsenotierten Edelstahlriesen mehrheitlich übernehmen. Voest-Chef Wolfgang Eder hat am Donnerstagnachmittag in einer mit dem Böhler-Vorstand eilig einberufenen Pressekonferenz völlig überraschend ein Übernahmeoffert angekündigt.
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Die Linzer Stahlkocher bieten 69 Euro pro Aktie in Cash und zielen damit auf die einfache Mehrheit. Eder rechnet mit einer "Mindestakzeptanz von 50 Prozent plus einer Aktie".
In diesem Fall würde die Voestalpine insgesamt 1,8 Mrd. Euro in die Hand nehmen. "Das wäre der größte Deal in der österreichischen Industrie-Geschichte", sagte Eder. Der gesamte Konzern wäre zum gebotenen Kaufpreis mit 3,5 Mrd. Euro bewertet.
Das freiwillige öffentliche Angebot, das am 16. April der Übernahmekommission vorgelegt werden soll, liegt rund 20 Prozent über dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten sechs Monate (an der Wiener Börse notierte die Böhler-Aktie zuletzt bei knapp über 70 Euro).
Sollte alles wie geplant klappen, könnte der Deal laut Eder bereits am 20. Mai endgültig abgeschlossen sein. Das schließt freilich auch ein, dass Konkurrenz-Angebote anderer Interessenten (etwa von Fonds wie Apollo und Blackstone) - für die gibt es nach wie vor Indizien - ausbleiben.
"In einen großen Bieterkampf werden wir sicher nicht gehen, wenn jemand etwa 80 oder gar 90 Euro je Aktie bieten sollte", betonte Eder vor der Presse.
In jedem Fall würde die Voestalpine aber den 21-prozentigen Anteil der bisherigen Böhler-Kernaktionärsgruppe um den Anwalt Rudolf Fries übernehmen. Die Fries-Gruppe, die sich bereit erklärt hat, von dem zuvor gemachten Angebot des britischen Investmentfonds CVC Abstand zu nehmen und das Offert der Voestalpine anzunehmen, würde mit dem Verkauf ihres Aktienpakets rund 737 Mio. Euro kassieren.
Fries sprach im Zusammenhang mit der Voestalpine von einer "tollen industriellen Lösung für Böhler-Uddeholm, die wir sehr befürworten".
Auch Böhler-Chef Claus Raidl zeigte sich nach den Turbulenzen rund um die Übernahmepläne von CVC mit der jetzt gefundenen Lösung zufrieden: "Die Voestalpine und Böhler-Uddeholm leben in einer gemeinsamen Welt. Wir haben einen Partner, der unser Geschäft versteht."
Unter allen Abwägungen habe der Vorstand den Entschluss gefasst, dass Böhler mit der Voest in zehn Jahren besser dastehe als mit anderen Interessenten, sagte Raidl. Er soll in den Voest-Vorstand einziehen, wo er in den 80ern bereits sieben Jahre lang saß.
Verhandlungen liefen schon seit letzter Woche
Gespräche mit der Voest gab es bereits seit Dienstag voriger Woche - nachdem die CVC-Gruppe am Tag davor ihr Interesse an Böhler öffentlich gemacht hatte.
Mit großen kartellrechtli chen Problemen bei dem geplanten Zusammenschluss rechnet Eder nicht: "Wir haben komplementäre, keine konkurrierenden Produkte." In den Voest-Konzern eingliedern will Eder Böhler in seiner Gesamtheit als fünfte Division. Neben der klassischen Stahlsparte sind die Linzer zunehmend in der Verarbeitung (Weichensysteme, Profile, Autozulieferungen) tätig, die bereits für rund die Hälfte der Umsätze steht. Mit Böhler soll nun ein weiterer "Feinkostladen" dazu kommen.
Gute Ergänzungen beider Unternehmen sehen Eder und Raidl bei Stahlprodukten für den Energiesektor sowie die Automobil- und die Flugzeugindustrie. Beide Konzerne, hier weltweit exzellent aufgestellt, wollen in Zukunft die Wertschöpfungskette gemeinsam verlängern, um sich noch stärker als bisher von Stahlzyklen abzukoppeln.
Daneben sollen auch Synergien von 65 Mio. Euro gehoben werden - so beispielsweise durch den gemeinsamen Rohstoffeinkauf oder eine gemeinsame EDV. Die Integrationskosten wollte Eder noch nicht konkret beziffern, sie seien aber minimal, so der Voest-Chef.
Mit der österreichischen "Elefantenhochzeit" von Voestalpine und Böhler-Uddeholm würde ein neuer Konzernriese in der heimischen Industrielandschaft entstehen. Der würde auf 10 bis 11 Mrd. Euro Umsatz kommen, 1,2 Mrd. Euro Betriebsgewinn schreiben und weltweit knapp 40.000 Mitarbeiter beschäftigen.
Die angekündigte Übernahme stieß am Donnerstag auf ungewöhnlich breite politische Zustimmung quer über alle Parteigrenzen hinweg.