Wie wir gestern berichteten, leben in Deutschland viel mehr Muslime als bisher berechnet. Und sie leben anders, als die vielen Vorurteile glauben machen. Das ergab eine Umfrage.
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Hätten Sie gedacht, dass mehr als die Hälfte aller in Deutschland lebenden Muslime Mitglied in einem deutschen Verein sind? Hätten Sie vermutet, dass selbst unter den streng gläubigen Muslima rund die Hälfte nie ein Kopftuch trägt?
Das Bild, das wir Nicht-Muslime von islamischen Mitbürgern haben, ist nicht nur voller Unschärfen, sondern auch voller Klischees und Vorurteile. Damit will die Deutsche Islamkonferenz (DIK) nun aufräumen. Deshalb hat sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gebeten, das "muslimische Leben in Deutschland" etwas genauer zu betrachten.
Man befragte erstmals 6007 repräsentativ ausgewählte Muslime aus 49 Herkunftsländern, insbesondere zu den unterschiedlichen Glaubensrichtungen, zu religiöser Praxis und verschiedenen Aspekten der Integration.
Und - siehe da! - gleich als erstes Ergebnis kommt heraus, dass rund eine Million Muslime mehr in Deutschland lebt, als bisher angenommen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt also rund 5,2 Prozent. Davon sind allerdings bereits die Hälfte deutsche Staatsbürger geworden.
Woher kommt diese krasse Differenz? Bisherige Schätzungen zogen nur die in Deutschland lebenden Staatsangehörigen aus zwanzig muslimisch geprägten Herkunftsländern und die Einbürgerungen aus diesen Ländern heran. Die Studie des Bundesamtes berücksichtigt dagegen auch die Zuwanderer aus einer Vielzahl von weiteren Ländern und die Nachkommen von Eingebürgerten.
Einerseits kommt man so der wirklichen Zahl entschieden näher, andererseits zeigt sich aber auch, dass viele Leute aus "islamisch geprägten Ländern" gar keine Muslime sind. Beispielsweise geben fast 40 Prozent der Migranten aus dem Iran an, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Aus dem Irak etwa sind religiöse Minderheiten zugewandert, die nicht dem Islam zuzurechnen sind. Aus der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung des Herkunftslandes kann daher nicht automatisch auf die Religion der in Deutschland lebenden Migranten geschlossen werden, wie das bisher geschah.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass es "den Islam" nicht gibt. Die größte konfessionelle Gruppe unter den Muslimen in Deutschland bilden die Sunniten mit 74 Prozent, gefolgt von den Aleviten mit 13 Prozent, den Schiiten mit einem Anteil von 7 Prozent. Dazu kommen kleinere Gruppen wie die Ahmadiyya, die Sufiker, Ibaditen und andere nicht näher spezifizierte Konfessionen.
In den neuen Bundesländern (ehemalige DDR) kommt es immer wieder zu feindlichen Übergriffen. Dabei leben tatsächlich 98 Prozent der Muslime in Deutschland in den alten Bundesländern. Auch dies ein Indiz dafür, wie schädlich Unkenntnis und Vorurteil sein können.
Die Deutsche Islamkonferenz hofft nun, mit dieser Studie einen ersten umfassenden Schritt zur Aufklärung und zum Abbau von Ressentiments beitragen zu können und das Bild über "Muslime" auszudifferenzieren.
Zwar gibt es immer noch große Bildungsdefizite, vor allem bei türkischen Muslimen. Aber in der zweiten Generation nehmen diese Defizite merklich ab. Dies gilt insbesondere für weibliche Muslime. Hier lässt sich ein Bildungsaufstieg erkennen.
Auch die soziale Integration ist besser als vielfach angenommen. Man trifft sich häufig mit Deutschen und die Zahl derer, die weder Alltagskontakte zu Deutschen haben noch einen Kontaktwunsch äußern, ist nicht größer als ein Prozent.