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Spindelegger: Einigung in Sachfragen möglich, SPÖ muss sich aber entscheiden. | ÖVP-Lust auf Neuwahlen derzeit "nicht besonders ausgeprägt". | "Wiener Zeitung": Vor Wochenfrist waren Sie sich sicher, dass es entweder zu einer großen Koalition oder aber zu Neuwahlen kommen werde. Jetzt scheint alles auf eine SPÖ-Minderheitsregierung hinauszulaufen.
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Michael Spindelegger: Das ist ein Spiel mit großem Risiko. Es liegt allerdings nicht in meiner Kompetenz, darüber jetzt vorschnell zu urteilen. Jetzt ist zuerst einmal Bundespräsident Heinz Fischer am Zug.
Ist es vorstellbar, dass auch die ÖVP sich von Fall zu Fall als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung stellt?
Darüber sollte man nicht jetzt schon spekulieren. Erst muss der Bundespräsident seinen Regierungsbildungsauftrag entsprechend abändern.
Dass es auch ohne Präsidenten-Auftrag geht, hat allerdings die ÖVP 1999/2000 bewiesen, als sie Schwarz-Blau ausverhandelte.
Heinz Fischer ist Herr des Verfahrens. Eine Minderheitsregierung kann ich mir nur bei entsprechendem Auftrag vorstellen.
Vereinzelt, aber doch, gerät auch Heinz Fischer in die Kritik. Sind Sie zufrieden mit seiner Amtsführung in dieser kritischen Situation?
Ich habe hier keine Kritik zu üben. Ich bin überzeugt, dass sich der Bundespräsident seiner besonderen Verantwortung sehr bewusst ist.
ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel kann derzeit "nur Trennendes" zwischen Rot und Schwarz feststellen. Finden auch Sie keine Gemeinsamkeiten mehr zwischen den beiden großen politischen Lagern der Zweiten Republik?
Natürlich kann ich mir vorstellen, dass in vielen Sachfragen eine Einigung möglich ist. Aber man muss sich entscheiden: Will man eine große Koalition oder aber eine andere Konstellation? Die SPÖ verfolgt hier eine zweideutige Strategie - und das verstört. Man kann nur Hopp oder Tropp sagen.
1999 hat die ÖVP aber sehr wohl Parallelverhandlungen mit SPÖ und FPÖ geführt: Wird hier nicht mit zweierlei Maß gemessen?
Die Situation war damals eine ganz andere. Zum einen gab es den Auftrag, Sondierungsgespräche mit allen Parteien zu führen. Zum anderen hatten wir mit der SPÖ ein fertiges Abkommen, das dann allerdings im SPÖ-Präsidium abgelehnt wurde.
Muss nicht die ÖVP Neuwahlen am meisten fürchten?
Keine Partei steht von vornherein als Sieger fest. Zudem glaube ich nicht, dass Neuwahlen im Sinne der Bevölkerung wären. Angst müssen wir dennoch nicht haben, aber natürlich ist die Lust darauf nicht besonders ausgeprägt.
Themenwechsel: Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit der nationalen Parlamente zu intensivieren, um mehr Einfluss auf die EU-Gesetzesvorhaben zu gewinnen. Wie soll das funktionieren?
Wir müssen etwas gegen die EU-Skepsis der Bürger unternehmen. Aufbauend auf einem Vorschlag der österreichischen Präsidentschaft soll es eine Subsidiaritätsprüfung von Gesetzesvorhaben der EU-Kommission auf freiwilliger Basis in dem Sinne geben, ob das wirklich von Brüssel aus geregelt werden muss. Dazu braucht es eine engere Kooperation der Parlamente. Mit dem Europa-Ausschuss haben wir hier auch das richtige Instrument.
Für die Bürger werfen sich aber auch schon Landeshauptleute und Minister auf EU-Ebene medienwirksam in die Schlacht.
Das Parlament muss seine Kompetenzen besser nutzen. Es geht darum, mit den Ministern vor den diversen EU-Räten intensiv über Ziele, Interessen und Strategien zu reden - das kann bis hin zu einer Weisung reichen. Das Parlament kann ruhig sein Selbstbewusstsein ein bisschen stärker betonen. Hier rechne ich durchaus mit Unterstützung von Seiten der Länder.