Pröll: Anhänger einer Minderheitsregierung werden in SPÖ immer stärker. | Briefwahl kommt - ohne Bedingung. | Am 24. Dezember feiert Pröll 60. Geburtstag. | "Wiener Zeitung": Herr Landeshauptmann, man hat den Eindruck, die Koalitionsverhandlungen kreisen nur um Themen, die viel, sogar sehr viel Geld kosten: Abschaffung der Studiengebühren, Einführung der Grundsicherung, Entschärfung der Pensionsreform, Flexibilisierung des Kindergelds. Sind Sparmaßnahmen denn überhaupt kein Thema?
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Erwin Pröll: Ganz und gar nicht, das Papier, das Michael Häupl und ich zur Verwaltungs- und Verfassungsreform vorgelegt haben, ist so angelegt, dass mittelfristig sehr wohl Einsparungen möglich sind. Zudem - und hier unterscheide ich mich massiv von der Salzburger SPÖ-Landeshauptfrau Burgstaller - bin ich davon überzeugt, dass auch im Gesundheitsbereich ein großes Sparpotenzial besteht. Niederösterreich hat das vorgezeigt: Durch Zusammenlegungen von Spitälern haben in einem Jahr das Land 90 Millionen und die Gemeinden 70 Millionen Euro an Kostenreduktionen geschafft.
Wurden dabei auch Spitäler geschlossen?
Ja, etwa Gugging, das Hauptaugenmerk liegt aber auf Einsparungen durch Kooperation und Nutzung von Synergien. Grundsätzlich warne ich die SPÖ aber davor, alles einzufordern, was gut und teuer ist. Jeder muss wissen: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Wir dürfen den budgetpolitischen Konsolidierungskurs der vergangenen Jahre nicht verlassen nur weil sich eine Partei populistisch in den Wahlkampf geworfen hat, das wäre staatspolitisch mehr als bedenklich.
Wenn, dann scheitert eine große Koalition demnach an der Budgetpolitik?
Ich glaube, dass die wirklichen Knackpunkte für eine Koalition in ideologischen Fragen liegen. Beispielsweise die Studiengebühren: Es kann nicht sein, dass manche Studenten auf Steuerzahlerkosten zehn Jahre und länger gratis auf der Universität herumsitzen ohne zu studieren. Hinzu kommt, dass ab kommendem Jahr die meisten Bundesländer in Deutschland Studiengebühren einführen. Würde man diese in Österreich nun abschaffen, würden noch mehr deutsche Studenten an unsere Universitäten strömen. Das kann es ja nicht sein! Sicher muss man auch über höhere Studienbeihilfen für Studierwillige reden, die sozial bedürftig sind.
Im Häupl-Pröll-Papier findet sich auch die Einführung so genannter Landesschuldirektoren. Wofür sollen diese künftige zuständig sein?
Für alle organisatorischen Aufgaben, die jetzt zwischen Ministerium, Landes- und Bezirksschulbehörden aufgeteilt sind.
Geht es dabei nur um Verwaltungsfragen oder auch um die Schulorganisation, etwa als letzte Barriere auf Landesebene gegen die Einführung einer Gesamtschule wie sie die SPÖ anstrebt?
Natürlich wollen wir dadurch auch in den Schulstrukturen beweglicher werden. In Niederösterreich haben wir bereits Bildungsregionen, wo mehrere Bezirke schulorganisatorisch zusammengefasst sind. Damit haben wir die Voraussetzung geschaffen, dass in Zukunft ein Direktor für mehrere Schulen verantwortlich sein kann mit dem Effekt, dass nicht die Schüler zu den Lehrern, sondern die Lehrer zu den Schülern pendeln. Damit sollen Schulstandorte erhalten werden, auch wenn sie nicht die Mindestschülerzahl erreichen.
Zum Thema Gesamtschule: Ich habe kein Problem, wenn die Grundsatzkompetenz bei Bildung beim Bund bleibt. Allerdings nur unter der Bedingung, dass den Ländern bei der Schulorganisation wesentlich mehr Spielraum gegeben wird.
Also doch ein Schlupfloch für das differenzierte Schulsystem, wenn die Gesamtschule kommen sollte?
Nein, das ist gelebter Föderalismus. Ich bin davon überzeugt, dass ein Landeshauptmann oder ein Landesschuldirektor, näher an den Schulproblemen ist als ein Bundesminister.
Die Briefwahl wurde bereits als fix verkündet. Allerdings hat SPÖ-Nationalratspräsidentin Prammer sofort Einspruch erhoben und gemeint, diese komme nur, wenn auch das Wahlalter generell auf 16 Jahre gesenkt wird. Was stimmt denn jetzt?
Ich gehe davon aus, dass die Briefwahl kommt - und zwar ohne Gegenbedingung. Das wurde in der Verhandlungsrunde, in der ich war, auch so gesagt. Die Wortmeldung von Prammer ist für mich ein Hinweis mehr, dass nicht alle in der SPÖ die Koalition wollen.
Die SPÖ denkt auch über Steuererhöhungen - etwa eine Anhebung der Höchstbemessungsgrundlage - nach.
Die Linie der ÖVP ist klar: Wir wollen entlasten und nicht belasten. An erster Stelle steht hier die Abschaffung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer, einfach weil sie die größte Breitenwirkung hat. Und was eine Erhöhung der Höchstbemessungsgrundlage angeht: Bevor ein solcher Schritt kommt, wird noch viel Wasser die Donau hinunterfließen.
Wird die ÖVP, sollte die große Koalition doch noch scheitern, in Opposition gehen oder sind auch andere Varianten denkbar?
Diese Frage wird sich für die Volkspartei nicht stellen. Es zeigt sich immer mehr, dass diejenigen in der SPÖ, die eine Minderheitsregierung wollen, immer stärker werden.
Wen haben Sie hier im Verdacht?
Das reicht vom Zentralsekretariat bis in den Parlamentsklub. Diese gewinnen zusehends die Oberhand in der SPÖ. Das ist zum einen ein staatspolitisches Problem, ganz sicher aber auch ein persönliches Führungsproblem von Alfred Gusenbauer. Grundsätzlich kommt jetzt aber der Zeitpunkt, an dem die Karten auf den Tisch müssen. Alles andere ist den Bürgern nicht mehr länger zumutbar.
Der Wahlkampf hat strukturelle Schwächen der ÖVP offenbart: Während kein Tag verging, an dem nicht Arbeiterkammer oder ÖGB mit Pressekonferenzen die Forderungen der SPÖ inhaltlich unterstützten, hatte dem die ÖVP nichts entgegenzusetzen. Wo sind eigentlich die schwarzen Think tanks?Das ist keine Frage von Think tanks. Die Volkspartei hat mindestens so schlagkräftige Strukturen. Die Frage ist, ob in diesen auch Personen an der Spitze stehen, die sich so deutlich parteipolitisch exponieren wollen, wie dies in der SPÖ offensichtlich gang und gäbe ist. Ich vermisse hier diejenigen in der Sozialpartnerschaft, die einer solchen parteipolitischen Agitation einer Interessenvertretung Grenzen setzen. Aber das ist Sache auf Bundesebene, sicher ist aber: Auf Landesebene würde dieses Spiel anders gespielt werden. Einem solchen Verhalten würde ich nicht auf Dauer zusehen.
Wird nach Wolfgang Schüssel wieder der Kampf Bünde gegen Bünde und Länder gegen Bundespartei ausbrechen?
Die ÖVP ist heute so geschlossen wie selten zuvor und daran wird sich auch nichts ändern. Im Übrigen bin ich nicht bereit, über die Zeit nach Schüssel zu sprechen, weil wir jetzt in der Zeit mit Schüssel leben.
Und trotzdem ist es notwendig darauf zu schauen, dass man einen Nachfolger hat, wenn man ihn braucht.
Haben Sie den Eindruck, dass Wolfgang Schüssel nicht weiß, was er macht?
Mitunter konnte man in den letzten Wochen durchaus diesen Eindruck gewinnen.
Da unterschätzen Sie Schüssel. Er war in Sachfragen und Personalia immer ein sehr überlegter Mann - warum sollte er das abgelegt haben?
Seit Donnerstag sind Sie mit 5174 Tagen im Amt der längst dienende Landeshauptmann Niederösterreichs. Am Heiligen Abend werden Sie 60 Jahre alt. Gilt auch für Sie das Regelpensionsalter von 65 Jahren?
Es gibt Menschen, die sagen, die Leute sollen bis 70, 80 Jahre arbeiten. Meiner Ansicht nach soll das jeder für sich selbst entscheiden. Wichtig ist, dass ein Politiker vom Vertrauen der Bevölkerung getragen ist, und wenn das der Fall ist, weiß er, was wann zu tun ist.
Sie treten aber, sofern Gott, Ihre Frau und die Gesundheit mitspielen, bei den Landtagswahlen im Frühjahr 2008 noch einmal an?
Wenn alles passt und meine Gesinnungsfreunde es wollen, dann bin ich Spitzenkandidat.
Und Ihr Ziel?
Dass jene Klarheit der Mehrheitsverhältnisse, wie wir sie derzeit haben, erhalten bleibt. Man kann ja jetzt auf Bundesebene sehen, welche Folgen verwaschene Wahlergebnisse haben. Wenn ich einen Wunsch habe, dann den, dass Niederösterreich nie in eine solche Situation kommt.
Wer sind eigentlich die Ezzesgeber des Erwin Pröll? SPÖ, Grüne und Blau auf Landesebene werden es wohl nicht sein.
Meine Landsleute. Wenn Sie meinen Tagesablauf verfolgen, sehen Sie, dass es keinen Tag gibt, an dem ich nicht mit den Bürgern zusammentreffe. Und die sagen mir auch sehr ungeschminkt ihre Meinung.
Eine kräftige politische oder mediale Gegenstimme vermissen Sie nicht? Mitunter soll ja Konkurrenz beflügeln.
Die habe ich durchaus. Man muss sich nur erinnern, was alle Bundesmedien im Zusammenhang mit den Handymasten gegen mich aufgeführt haben. Das hat mich aber nicht gestört. Ein Politiker muss ein gewisses Rückgrat haben, wenn er tatsächlich etwas Vernünftiges weiterbringen will. Manches Mal wird er sich durchsetzen, manchmal eben nicht. Das ist so in der Politik und auch im Leben.