Manche Menschen sitzen ungern in Reihe 13, andere freuen sich über vierblättrigen Klee und wieder andere trauen einer schwarzen Katze nicht über den Weg.
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Auch im aufgeklärten 21. Jahrhundert begleitet uns der Aberglaube auf Schritt und Tritt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht mit seinen Symbolen, Riten und Bräuchen in Berührung kommen, denn der Aberglaube ist so alt wie die Menschheit selbst. Zwar änderten sich unter dem Einfluss zeitbedingter gesellschaftlicher und religiöser Normen und Werte seine Inhalte, doch er liefert uns - mit Hilfe der Volkskultur - viele Hinweise auf das soziokulturelle Wissen alter Kulturen.
Von der Ketzerei zum Humbug - dem Begriff "Aberglaube" auf der Spur. Ursprünglich war Aberglaube ein abwertender Begriff. Er stand für "falsch", d.h. von der christlichen Glaubenslehre abweichende Glaubensinhalte und -formen. Aberglaube galt als heidnisch, unmoralisch und ketzerisch. In der christlichen Religion taucht der Begriff Aberglaube im späten Mittelalter auf, er geht zurück auf die lateinische Bezeichnung "superstitio". So nannten die alten Römer alle fremden, nichtrömischen Kulte. Der Heilige Augustinus (345-430), Bischof und bedeutender Kirchenlehrer des Abendlandes, übernahm den Begriff, um nun seinerseits die nicht-christlichen Religionen zu kennzeichnen. Geprägt von den Lehren des Augustinus, bekämpfte die katholische Kirche im Mittelalter die Verehrung heidnischer Gottheiten und den Dämonenkult. Den Grundstein für die mittelalterliche Hexenverfolgung legte Thomas von Aquin, ein ebenfalls bedeutender Theologe des 13. Jahrhunderts. Er interpretierte "superstitio" als Götzendienst und verstand Aberglauben als Gegensatz zur Tugend: als sittlichen, intellektuellen und religiösen Verfall.
Ab dem Zeitalter der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert wandelte sich die Vorstellung vom rechten Glauben zunehmend in eine Vorstellung naturwissenschaftlicher Belegbarkeit. Mit überholten Vorstellungen aufzuräumen und den Menschen durch Bildung zur geistigen Freiheit zu verhelfen, war nun die Maxime der europäischen Geistesbewegung. Sie sah Aberglauben als ein historisches und soziales Bildungsproblem und erklärte den Menschen zum vernunftbegabten Wesen. Nun galt nicht mehr der Götzendienst sondern die Unvernunft als Sünde. Heute bezeichnet der Begriff Aberglaube Glaubenssätze und Praktiken, die wissenschaftlich unbegründet sind und die dem erreichten Kenntnisstand der Gesellschaft, der man angehört, nicht entsprechen. Diese Definition aus dem Jahre 1956 stammt vom Sozialpsychologen Judd Marmor.
Demgegenüber meint die Volkskunde, dass der Aberglaube gesunkenes Kulturgut unserer Vorfahren ist, mit vielen Resten alter Wissenschaften, wie der Alchemie, der Astrologie und der Volksmedizin. Die historischen Wurzeln des Aberglaubens und des Brauchtums liegen demnach weniger im Mystischen als vielmehr im konkreten Alltag früherer Gesellschaften und darin, wie diese ihre Welt erlebt, gedeutet und gestaltet haben.
Wie sich Aberglaube äußert. Trotz aller Aufgeklärtheit haben sich manche Regeln des Aberglaubens bis in unsere Zeit gehalten. Es sei dem Leser überlassen, in ihnen einzig und allein den Aberglauben zu sehen oder aber doch auch einen Sinn in dem einen oder anderen Ritual zu erkennen.
Freitag, der 13. Er gilt als Unglückstag. Es gibt Menschen, die sich an diesem Tag nicht aus dem Haus wagen und Angst vor Unglück und Unfällen haben. Dieser Aberglaube kommt zum großen Teil aus den USA und hatte dort seine Höhepunkte mit dem "schwarzen Freitag" - dem Börsenkrach von 1927 -, der eigentlich an einem Donnerstag begann, aber Freitag, dem 13. zugerechnet wird. Dazu kam der Unglücksflug der Apollo 13, die an einem Freitag startete. Die Quersumme dieses Datums (4.11.70) ist ebenfalls 13.
Die Zahl 13. Die Zahl 13 als Unglückszahl hat ihren Ursprung auch im christlichen Glauben. 13 Jünger saßen an der Abendmahltafel, der 13. war der Verräter Judas. Bei Dornröschen war es die 13. Fee, die die Prinzessin verzauberte. Die 13 überschreitet das geschlossene 12er-System wie 12 Monate, 12 Stunden.
Katzen. Besonders die schwarze Katze wird als Überbringerin von Unglück gesehen, bunte Katzen gelten hingegen als Glücksbringer. Das negative Bild der schwarzen Katze stammt aus dem Mittelalter, damals hielt man sie für Hilfsgeister der Hexen.
Läuft eine schwarze Katze über den Weg, so bringt das Unglück. Um das zu verhindern, muss man drei Steine über die Katzenspur werfen oder auf einen Stein spucken.
Blumen. Margeriten bringen Freude und Harmonie ins Haus. Tulpen heilen gebrochene Herzen. Nach einem Streit führen sie die Versöhnung herbei. Rosen gelten als die Blumen der Liebe. Ein roter Rosenstrauß ist eine Liebeserklärung. Sind die Rosen gelb, heißt das, ich liebe eine/n andere/n, sind sie weiß, so heißt das, ich liebe dich nicht.
Theater. Vor der Premiere ist es üblich, dass Schauspieler untereinander ein dreimaliges Spucken über die Schulter andeuten, damit die Aufführung Erfolg hat.
Eine Generalprobe voller Pannen bedeutet, dass die Premiere gut gelingen wird. Entbehrt nicht einer gewissen psychologischen Grundlage, da am Ende der Probenarbeit sowohl eine gewisse Routine als auch Fehler durch unkonzentriertes Arbeiten entstehen. Unter Anspannung bei der Premiere verschwinden die Fehler, während die Routine bleibt. Obwohl Generalproben manchmal vor Publikum stattfinden, sollte man am Ende des Stückes nicht applaudieren, das bringt Unheil.
Durch den noch zugezogenen Vorhang hinauszuspähen, bringt Unglück. Was die Requisiten betrifft, so sollte man darauf achten, dass kein echter Spiegel verwendet wird und dass Puppen, die zum Stück gehören, mit dem Gesicht nach unten auf dem Requisitentisch gelagert werden. In ihnen könnten poltergeistähnliche Kreaturen leben, die durch die Puppenaugen ins Freie schlüpfen.
Ein schlechtes Omen für eine bevorstehende Vorstellung ist es, wenn sich der erste Zuschauer, der den Theatersaal betritt, in die erste Reihe setzt.
Ausblick. Auch in unserer Zeit wird der eine oder andere Aberglaube weiterhin seinen Platz haben. Denn auch wenn wir vernunftbegabte Wesen sind, haben wir - damals wie heute - irrationale Bedürfnisse und den Wunsch nach Sicherheit in einer schwer überschaubaren Welt. An kleinen abergläubischen Praktiken im Alltag kann daher nichts Verwerfliches sein. "Aberglaube ist die Poesie des Lebens" meinte sogar Johann Wolfgang von Goethe in seinen "Maximen und Reflexionen".