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Jetzt voten!

Von Cathren Landsgesell

Politik
© privat

61 Schülergruppen haben eingereicht: Für die Videos zum Thema "Leben 2030" kann jetzt auf YouTube gevotet werden. Es geht um Klima, Digitalisierung, Artificial Intelligence und Überwachung.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Future Challenge der "Wiener Zeitung" zum Thema "Leben 2030" geht in eine neue Phase: 61 Schülergruppen aus 45 Schulklassen in ganz Österreich haben uns Videobeiträge geschickt, in denen sich die Schüler mit dem Thema "Leben 2030" auseinandersetzen. Seit dem 26. April sind diese Videos öffentlich und ab jetzt kann auf YouTube, Stichwort Future Challenge, gevotet werden.

61 Filme, zwei Jurys

"Mich hat überrascht, dass die Jugendlichen die großen globalen Themen in den Vordergrund stellen: Es geht in den Videos um Klimawandel, Umweltzerstörung, Verkehr, Überwachung und Kontrolle. Die meisten sehen nicht positiv in die Zukunft", sagt Ina Weber. Die Redakteurin im Wien-Ressort der "Wiener Zeitung" ist Teil der Redaktionsjury und hat sich alle Videos angesehen. "Ein großes Thema ist die Frage, wie die digitalen Geräte unser Leben verändern", berichtet sie. "Diese perfekte Welt, in der alles ‚smart’ funktioniert, erscheint in den Videos als ein Albtraum. Man ist froh, wenn man daraus erwacht. Es ist eine Welt ohne Privatsphäre und unter absoluter Kontrolle."

Die Future Challenge der "Wiener Zeitung" zum Thema "Leben 2030" ist ein Videowettbewerb für Schüler. Wir haben alle Schüler ab der achten Schulstufe dazu aufgerufen, sich in einem kurzen Filmbeitrag mit der nahen Zukunft auseinanderzusetzen. 61 Schülergruppen sind mit ihren Lehrern unserer Einladung gefolgt und haben uns ihre Filme geschickt. Die Digitalisierung in all ihren Facetten ist neben Umwelt und Klima das dominierende Thema der Arbeiten. Von Animation bis Spielfilm haben die Schüler alle Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschöpft und dabei kein Genre ausgelassen.

Die eingereichten Filme sind nun öffentlich im YouTube-Kanal der "Wiener Zeitung" zugänglich: Jeder, der möchte, kann sich am Voting durch die Vergabe von "Likes" beteiligen. Bis zum 30. April läuft die Nominierung für die Shortlist von zehn Videos. Aus diesen wird eine unabhängige Jury anschließend den Sieger der diesjährigen Future Challenge küren.

"Sie fordern Antworten ein"

Außerdem vergibt die "Wiener Zeitung" auch in diesem Jahr wieder den Redaktionspreis, der einen Film unabhängig vom öffentlichen Voting besonders würdigt. Im letzten Jahr erhielt das Abteigymnasium Seckau diesen "Special Award".

"Mein Eindruck ist, dass die Jugendlichen eigentlich nicht mehr viel Vertrauen in die Politik haben", sagt Ina Weber. "Sie scheinen das Gefühl zu haben, dass die Politiker nicht wirklich auf die Fragen, die sie bewegen, eingehen. Sie nutzen die Videos dafür, Antworten auf diese Fragen einzufodern: ‚Was sagen die Politiker dazu, dass der letzte Eisbär stirbt? Dass das Meer in Plastikmüll erstickt und dass das Smartphone dem Menschen immer mehr Freiheit nimmt?‘ - das sind Fragen, die in den Videos immer wieder vorkommen."

Die Schüler sind aufgefordert, jeweils am Ende ihrer Filme drei Fragen an die Politik zu adressieren. Diese Fragen werden Anfang Juni bei der feierlichen Gala mit Politikern diskutiert. "Ich sehe die Videos auch als Aufforderung, uns darum zu kümmern, dass unsere Zukunft menschlich ist und auf einem Miteinander aufbaut", so Weber.

"Die Probleme waren fassbarer"

In seiner Jugend hätten ihn andere Fragen beschäftigt, meint Franz Zauner, Online-Chef der "Wiener Zeitung" und Vorsitzender der Redaktionsjury. "Bei uns ging es um Emanzipation, um Demokratisierung und Selbstermächtigung." Franz Zauner war in den 1970er Jahren um die 16 Jahre alt. Er hat seine Jugend als eine sehr politische Zeit erlebt. "Unsere Themen waren noch stark durch die 68er geprägt", sagt er. Globale Probleme wie die Klima- und Umweltkrise waren noch weit weg - trotz des Berichts des Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums", der 1972 erschienen war. "Unsere Probleme waren fassbarer. Sie waren im Vergleich zu heute leichter einzugrenzen und in Forderungen umzusetzen. Wir konnten sie gezielter adressieren. Ganz einfach deshalb, weil zu der Zeit die Nationalstaaten noch mehr Handlungsmacht hatten", sagt Zauner, der auch stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung" ist. "Ich fand beim Durchsehen der Videos besonders gut, dass es offenbar ein Bewusstsein über die globalen Probleme gibt. Mir haben die Filme gut gefallen, die selbstreflexiv sind und einen Standpunkt beziehen."

Ina Weber erinnert sich an ihre Jugend in den 1990er Jahren als eine Zeit, in der es vor allem um die Karriere ging. "Unser Stichwort war die ‚Ich-Aktie’", sagt sie. "Es ging darum, eine möglichst gute Ausbildung zu machen, möglichst viele, natürlich unbezahlte, Praktika zu absolvieren und dann möglichst schnell eine möglichst gute Karriere zu machen." Was ihre Jugend von der heutigen unterscheide, sei vor allem das Gefühl der Sicherheit: Auch wenn der Individualisierungsdruck stark gewesen sei, habe es trotzdem eine gewisse soziale Sicherheit gegeben. "Das scheint bei dieser Generation nicht mehr so zu sein. Wir haben noch von den sozialstaatlichen Errungenschaften der Kreisky-Ära profitiert", meint sie. "Heute müssen sich die Jugendlichen etwa angesichts des Klimawandels fragen, wie lang es die Welt, die sie kennen, noch geben wird."

Medien und Politik

Die Wien-Redakteurin sieht eine besondere Verantwortung für das bange Zukunftsbild der Jugendlichen bei den Medien. In den Videos kommen diese nämlich vor allem als Überbringer der schlechten Nachricht vor. Gewalt, Katastrophen und Sensationen scheinen das einzig Berichtenswerte zu sein. "In den Filmen sind wir die Verkünder der Schreckensbotschaften", sagt Weber. "Das ist nicht gut. Wir sollten als Medienschaffende unser Augenmerk darauf richten, objektiv und fair zu berichten, damit diese Generation eine Grundlage hat, um gute Entscheidungen zu treffen. Auf der Basis von Schreckensszenarien, die vor allem Angst schüren, geht das nicht."

Die beiden Jury-Mitglieder glauben nicht, dass die zumeist düsteren Zukunftsvisionen der Jugendlichen in ihrer ganzen Düsternis wahr werden. "Ich selbst habe für mich eigentlich ein gutes Gefühl, wenn ich an die Zukunft denke. Die Videos sind ernüchternd. Ob es tatsächlich so kommt oder eine andere Wendung nimmt, hängt natürlich auch davon ab, wie diese Generation mit den Problemen umgeht", so Ina Weber. "Wenn es ihr gelingt, die Probleme in einem positiven Sinne zu lösen und sich für Demokratie und eine offene Gesellschaft entscheidet, müssen die Szenarien nicht wahr werden."

Franz Zauner empfindet es ähnlich: "Die Zukunft ist offen", sagt er. Auch wenn die Jugendlichen offenbar starke Zweifel am Handlungsspielraum der Politik haben, so macht ihn das Problembewusstsein, das in den Videos zum Ausdruck kommt, optimistisch. "Ich habe großes Vertrauen in diese Generation." Die politische Ernüchterung, die in den Filmen zum Ausdruck kommt, ist wenig überraschend, wie er meint. "Dieses eindimensionale Versprechen der Wirtschaft, jeder könne sein Glück selbst schmieden, klingt für diese Jugendlichen inzwischen hohl und die Politik hat sich in den letzten Jahrzehnten ja auch nicht bewährt, wenn es um eine Lösung für die Probleme geht, die die Jugendlichen ansprechen."

Ein wichtiges Anliegen ist etwa auch der Zusammenhalt der Gesellschaft. "Wir haben einige Filme, die sich mit Ausgrenzung, mit Homophobie und mit Armut beschäftigen. Die Gefährdung des sozialen Zusammenhalts besorgt die Jugendlichen sehr. Sie wollen keine Welt, in der die Freiheit des Einzelnen im Namen der Terrorismusbekämpfung immer mehr eingeschränkt wird oder in der Andersliebende aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden", so Ina Weber.

Voten Sie mit!

Wer sich an der diesjährigen Future Challenge durch Voting beteiligen möchte, kann dies noch bis zum 30. April auf dem YouTube-Kanal der "Wiener Zeitung" tun. Dort stehen die 61 Filme zum Liken bereit. Die zehn Videos mit den meisten Likes sind für den Preis der Future Challenge "Leben 2030" nominiert. Eine fünfköpfige Jury, der unter anderem der Filmemacher Paul Poet angehört, wird aus dieser Shortlist die drei besten Videos auswählen. Am Dienstag, dem 5. Juni werden diese Videos bei einer feierlichen Gala präsentiert und ausgezeichnet. Die "Fragen an die Politik", di die Schüler in den Videos formulieren, werden bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Gala mit Politikern diskutiert.

Franz Zauner: "Jeder Jugend wird ja immer ein Fehlverhalten vorgeworfen. Dieser Jugend wirft man wahrscheinlich vor, dass sie nicht liest und nur YouTube schaut. Das glaube ich nicht, wenn ich mir diese Videos anschaue. Die sind informiert und bewegen sich diskursiv auf der Höhe der Zeit."