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Jetzt will der zweite Bruder siegen

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv
Mehr als nur zwei Kaczynskis: Lech kandidiert bei der Präsidentschaftswahl, sein Zwillingsbruder Jaroslaw war Spitzenkandidat bei der Parlamentswahl. Premier wollte letzterer - vorerst - nicht werden. ap/Sokolowski

Machtwechsel in Polen wird gefestigt. | Linke muss Abschied nehmen. | Wohlfahrtsstaat oder mehr Markt. | Warschau. Für Änderungen war es zu spät. Daher finden sich auf der Wahlkarte vierzehn Namen - auch wenn nur zwölf Personen kandidieren. Am Sonntag sind mehr als 30 Millionen Menschen aufgerufen, den polnischen Staatspräsidenten zu wählen. Doch erst vor zwei Wochen ist ein Präsidentschaftskandidat, Daniel Podrzycki, bei einem Autounfall tödlich verunglückt, ein anderer, Maciej Giertych von der nationalkonservativen Liga der Polnischen Familien, hat vor wenigen Tagen seine Kandidatur zurückgezogen. Ein Teil der Wahlkarten war zu diesem Zeitpunkt bereits gedruckt.


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Ein Zwilling hält

sich im Hintergrund

Allen Umfragen zufolge wird Polen mit dem Votum am Sonntag den Machtwechsel festigen, der mit der Parlamentswahl vor knapp zwei Wochen eingeleitet wurde. Denn erneut kämpfen um den ersten Platz zwei Parteien aus dem rechten Flügel, der seine Wurzeln in der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc hat. An der Spitze der einen, Recht und Gerechtigkeit (PiS), stehen die Brüder Lech und Jaroslaw Kaczynski. Die Bürgerplattform (PO) leitet Donald Tusk.

PiS-Spitzenkandidat und Parlamentswahlsieger Jaroslaw Kaczynski hat allerdings auf den Posten des Premiers verzichtet - um Lech Kaczynskis Chancen auf das Präsidentenamt nicht zu verringern. Denn eineiige Zwillingsbrüder für die höchsten Ämter im Land lehnt eine Mehrheit der Polen ab.

Im Schatten der

Präsidentschaftswahl

Von der Macht verabschieden muss sich die Noch-Regierungspartei SLD (Bündnis der Demokratischen Linken). Vor vier Jahren erreichte sie mit mehr als 40 Prozent der Stimmen einen Erdrutschsieg und stellte zwei Amtsperioden lang den Staatspräsidenten.

Aleksander Kwasniewski, der sich viele Jahre großer Popularität erfreute, kann nicht mehr antreten, und nach dem Rückzug des ehemaligen Außenministers Wlodzimierz Cimoszewicz hat SLD - das bei der Parlamentswahl 11,3 Prozent erhielt - nicht einmal einen Kandidaten. Einem anderen Bewerber des linken Flügels, Marek Borowski von der Sozialdemokratie Polens, die sich von SLD abgespalten hatte, sagen Umfragen lediglich acht Prozent der Stimmen voraus.

Auf mehr kann da Andrzej Lepper von der Samoobrona (Selbstverteidigung) hoffen. Den selbst ernannten Bauernführer würden 12 Prozent wählen.

Obwohl der Präsident in Polen über weniger Macht als der Premier verfügt, überschattete von Anfang an der Personenden Parlamentswahlkampf. Und auch die von PiS und PO angestrebte Bildung einer gemeinsamen Koalition verzögert sich. Beide Parteien wollen Klarheit über die Machtverhältnisse im Land haben - und das wird wohl erst nach zweieinhalb Wochen möglich sein. Denn ein zweiter Wahlgang ist wahrscheinlich.

Mit seinen Versprechen, die Märkte weniger radikal zu öffnen und den Wohlfahrtsstaat zu stärken, stößt Lech Kaczynski vor allem bei der ärmeren Landbevölkerung auf Sympathie. Kritik löste Warschaus Bürgermeister allerdings mit dem Verbot einer Homosexuellen-Parade in der Hauptstadt oder mit seinem Plädoyer für die Wiedereinführung der Todesstrafe aus.

Die Bürgerplattform hingegen konnte sich bereits vor vier Jahren als neue Kraft des liberalen Bürgertums positionieren. So präsentierte sich denn auch Donald Tusk als Vermittler zwischen unterschiedlichen Interessen, der auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und gute Beziehungen zur EU genau so wie zu den USA setzt.