Zum Hauptinhalt springen

Jetzt wird aber wirklich gewachsen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Monti setzt "Goldene Regel" für Investitionen durch|Arbeitslosigkeit steigt auch 2014


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Brüssel. "Es wäre nicht so schlecht, wenn Italien bald eine Regierung bekommt." Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel greift gern zu Ironie, um Europas dringlichste Probleme zu umreißen. Diese Regierung sollte aber tunlichst den Spar- und Reformkurs von Mario Monti weiterführen. Jenen Kurs, den die Italiener eindrucksvoll abgewählt haben. Die europafreundlichen Parteien in Rom brauchen also etwas, was sie als EU-Richtungswechsel verkaufen können –in Ansätzen haben ihnen das die Regierungschefs beim Gipfel am Donnerstag und Freitag ins Abschlussdokument geschrieben.

Die EU lockert die Schrauben etwas und lässt einigen Ländern mehr Luft zum Atmen. Auch Portugal erhält mehr Zeit – bis 2015 –, um das Defizitziel zu erreichen. Und es gibt Spielraum, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.  Wie sehr das eilt, führte EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso vor dem Rat vor. Bei der Sanierung gibt es Fortschritt: Die Defizite sinken, die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer steigt. Dafür nimmt die Erholung höchst schleppend Fahrt auf.  Bestenfalls wird die EU-Wirtschaftsleistung 2014 das Vorkrisen-Niveau von 2008 erreichen. Es bleibt ein Wachstum ohne Jobs: Die Beschäftigung stagniert seit 2009. Und die Zahl der Arbeitslosen – 26 Millionen EU-Bürger sind ohne Job – wird 2014 weiter steigen.

Montis Vermächtnis soll ein Gegensteuern ermöglichen:  Schon vor fast zwei Jahrzehnten, als die Defizitziele für die Eurozone (Maastricht-Kriterien) formuliert wurden, kämpfte der frühere EU-Kommissar für seine "Goldene Regel". Vergeblich. Monti wollte, dass bei der Bewertung der Budgetlöcher differenziert wird zwischen produktiven und unproduktiven Staatsausgaben. Es macht schließlich einen Unterschied, ob man 1000 Euro versäuft oder in die Ausbildung der Kinder steckt. Ebenso sollten Staatsausgaben, die verkonsumiert und "weg" sind, stärker geächtet werden als solche, die für künftige Generationen Ertrag abwerfen; etwa Investitionen in hochwertige Infrastruktur oder Forschung.

Das wird künftig erlaubt sein – mit Abstrichen. Wer sein Defizitziel erreicht, erhält bei seinem mittelfristigen Sanierungspfad Spielraum für sinnvolles Investieren. Italien ist schon so weit. Dennoch gab es zuletzt die absurde Situation, dass mittelständische Unternehmen reihenweise in den Ruin getrieben wurden, weil Rom Rechnungen für bereits abgewickelte Staatsaufträge nicht bezahlte. Damit kein goldenes Scheckbuch draus wird, legt die Kommission – voraussichtlich im April – Ideen vor, wie sich die  "Goldene Regel" mit den Defizitzielen und anderen Budgetvorgaben wie dem Fiskalpakt vereinbaren lässt. Die Brüsseler Exekutivbehörde muss zudem die konkreten Investitionspläne der Länder absegnen.

Eine Abkehr von der Spardoktrin ist das nicht: Die Länder müssen sich weiter anstrengen, das Defizitziel von maximal 3 Prozent  Minus zu erreichen.  Das ist Merkel spürbar ein Anliegen. Sie muss im Herbst eine Wahl schlagen – und ein Aufweichen der Sparziele würde ihr als herbe Niederlage ausgelegt. Allerdings hat auch die deutsche Kanzlerin schon heftiger auf das Einhalten der Ziele gepocht. Das lässt Frankreich hoffen, Sanktionen für das Verfehlen des Budgetziels vermeiden zu können. Die Bedenken, ob – wie am Donnerstag von tausenden Protestierenden in Brüssel gefordert – die Sparpolitik endlich durch Wachstumsmaßnahmen ergänzt wird, bleiben dennoch aufrecht. Kampf gegen Steuerflucht und Jugendarbeitslosigkeit, Umschichtung von Geld dorthin, wo Jobs geschaffen wird: All das stand auch in früheren Dokumenten, nur umgesetzt wurde es nicht. Jetzt wird betont, wie wichtig die Umsetzung der Beschlüsse ist. Allerdings heißt es auch, die Regierungschefs hätten sich "geeinigt, in den kommenden Monaten über spezifische Themen mit einem hohen Potenzial zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung zu beraten." Tun sie das nicht längst?

Auf die Tube wird indes bei der Bankenunion gedrückt, die den "Teufelskreis zwischen Banken und Staaten durchbrechen" soll: Vor Juni 2013 soll es eine Einigung über den Abwicklungsmechanismus für Krisenbanken und über die Harmonisierung der nationalen Einlagensicherungssysteme geben.