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Jiang Zemins Begeisterung für Mozart und Wiens Müllverbrennungsanlage

Von Georg Friesenbichler, Peking

Politik

Peking - Der Staatslenker Chinas Jiang Zemin war von seinem Aufenthalt in Österreich vor zwei Jahren so angetan, dass dieser nun in Peking beim Arbeitsbesuch von Bundespräsident Thomas Klestil wieder zur Sprache kam. Besonderen Eindruck machte ihm, dass es Österreich einerseits gelungen sei, die Schönheit der Natur zu erhalten, andererseits ein hochtechnologisiertes Land zu werden, resümiert Klestil - in dieser Hinsicht also ein Vorbild für China. Denn während allenthalben Hochhäuser in den Himmel schießen, hapert es beim Naturschutz.


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Diese Erfahrung machte die österreichische Delegation bereits bei der Ankunft in Peking. Schon über der Wüste Gobi geriet das "Präsidental Aircraft" in einen Sandsturm, der es bis in die Hauptstadt begleitete. In Peking selbst war der Himmel rotbraun, erst tags darauf war die übliche Dunstglocke zu sehen.

Wie so oft in der Vergangenheit Chinas kam die Bedrohung aus dem Norden: Es ist Sand aus der Mongolei, der den Bewohnern mehrere Male im Frühjahr zwischen den Zähnen knirscht. Wie Beobachter meinen, trägt aber auch die heimische Bodenerosion ihren Teil dazu bei. Die Regierung hat dies auch erkannt und mit einem Aufforstungsprogramm begonnen, nicht zuletzt aufgrund von "Bejing 2008" - die Bewerbung für die Olympischen Spiele in diesem Jahr ist auf Plakaten allgegenwärtig.

Ansonsten ist das Stadtbild von heftigem Autoverkehr geprägt; die traditionellen Fahrräder werden immer mehr an den Fahrbahnrand gedrängt. Dieser Anblick zusammen mit dem gewaltigen Bauboom ließ Präsident Klestil beim "österreichisch-chinesischen Wirtschaftstag" am Donnerstag denn auch von einer "spektakulären Entwicklung Chinas" seit seinem letzten Besuch im September 1995 sprechen. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein nutzte die selbe Veranstaltung, mit der der Errichtung der österreichischen Außenhandelsstelle vor 35 Jahren gedacht wurde, um noch einmal auf das Interesse der Volksrepublik an österreichischer Umwelttechnik zu verweisen. Schließlich ist Jiang Zemin seit seinem Besuch vor zwei Jahren noch immer von Wiens Müllverbrennungsanlage begeistert.

Auf Wasser- und Umwelttechnik setzt auch Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger. Das ist freilich nur ein Nebenaspekt seiner Teilnahme an der Klestil-Reise. Denn auch Salzburg hat der chinesische Staatschef vor zwei Jahren besucht, und ganz wesentlich ist Österreichs Bild von Mozart und "Sound of Music" geprägt.

Jiang Zemin hat also etwas übrig für österreichische Kultur. Das ging soweit, dass er beim abendlichen Bankett für die Gäste Frau Margot Klestil-Löffler überraschend zu einem Tänzchen - natürlich Walzer - aufforderte.

In diesem entspannten Klima fällt es leicht, über Wirtschaft zu reden. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl konnte voll Stolz vermelden, dass im letzten Augenblick aus den 26 Verträgen mit einem Volumen von 4,4 Mrd. S plötzlich 28 mit 5,2 Mrd. S geworden waren. Durch die Vermittlungstätigkeit bei dieser Reise kam aber nicht nur jenes 800 Mio. S Projekt zustande, auch ausständige Lizenzzahlungen wurden beglichen.

Dennoch, meint Leitl, gehöre noch viel mehr getan, denn Österreich steckt weniger als ein Prozent seines Außenhandelsvolumens in diesen Markt. Das trägt nicht gerade dazu bei, das Außenhandelsdefizit, das laut Bartenstein fast alle europäischen Staaten (mit Ausnahme der "Handy-Länder" Schweden und Finnland) gegenüber China haben, abzubauen.

Einig ist sich die österreichische Delegation darüber, dass ein baldiger WTO-Beitritt Chinas nützlich wäre. Bartenstein vermag allerdings nicht zu sagen, ob dies noch im November oder zu einem späteren Zeitpunkt der Fall sein wird. Auch die Verhandlungen mit Europa seien (z. B. im Argrarbereich) noch nicht abgeschlossen. Leitl meint, den Chinesen wäre ein halbes Jahr früher oder später egal. Die Einbeziehung Chinas in die Welthandelsorganisation wäre aber auch deshalb wichtig, um "Fragen des geistigen Eigentums", sprich CD-Raubpressungen u. ä., zu klären.

Durchgehend ist bei diesem Besuch jedenfalls Optimismus zu spüren, so auch bei der Feier der 30 Jahre währenden diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten am Donnerstagabend. "Klima der Freundschaft des gegenseitigen Respekts" nennt dies Klestil. In den nächsten Monaten steht eine rege Reisetätigkeit von Ministern beider Seiten an. Auch Jiang Zemin würde gerne wieder nach Österreich kommen. Wie weit das realistisch ist, sei noch nicht klar, so der Bundespräsident. Die Einladung ist jedenfalls schon ausgesprochen.