Keine Erholung beim Export in Aussicht. | Die Hälfte der Spielzeughersteller muss schließen. | Peking/Wien. Trotz der Bemühungen der Regierungen, die Weltwirtschaft anzukurbeln, verschlechtern sich die Aussichten nahezu täglich. Der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) berechnete Frühindikator CLI, der einen Wechsel von Konjunkturtrends mit einer Vorlaufzeit von sechs Monaten aufzeigen soll, ist auf so tiefe Niveaus gefallen wie seit der Erdölkrise der 1970er Jahre nicht mehr. Ausgeprägt schlecht ist der Ausblick für China.
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Chinas Bruttoinlandsprodukt, das noch 2007 um 13 Prozent gewachsen war, verzeichnete im letzten Quartal 2008 nur noch geringes Wachstum. Für 2009 wird derzeit ein Wachstum von 6,5 Prozent erwartet. Nach den wirtschaftlichen Höhenflügen der letzten Jahre ist das ein herber Schock.
Im Jahr des Büffels erlebt das Reich der Mitte auch eine veritable Völkerwanderung. Zehntausende Wanderararbeiter kehren von den Industriegebieten zurück ins Landesinnere. Wer genug Erspartes hat, betreibt Landwirtschaft auf dem ihm zur Verfügung stehenden Grund und Boden. Und wer sich die Reise nach Hause nicht leisten kann, versucht bei einer der nun auch für Wanderarbeiter zahlreich gewordenen Job-Messen sein Glück.
China, das gehofft hatte, vom ökonomischen Trauma des Westens abgekoppelt zu bleiben, spürt die Krise möglicherweise jetzt sogar noch härter als manche westliche Länder. "Wenn Ihr Lohn binnen Kürze um 40 Prozent gestiegen war, und dann wieder auf Vor-Wachstumsniveau absackt, ist das schwerer zu verwinden, als wenn man nach lange konstantem Lohn zehn Prozent weniger verdient", erklärt Waltraut Urban vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsforschung (WIIW). Viele Wanderarbeiter kehren auch deshalb zurück, weil sie sich die hohen Lebenskosten in den Städten nicht leisten können.
Allein die chinesische Spielwarenindustrie musste 2008 die Hälfte ihrer Fabriken schließen. Die Zahl der Firmen schrumpfte um 49 Prozent von 8610 auf 4388, berichtet die "Beijing Times". Besonders betroffen ist die südliche Provinz Guangdong, wo die Hälfte des weltweit verkauften Spielzeugs produziert wird.
Spielzeug in der Krise
Chinas Spielzeugindustrie leidet schon länger unter einem schlechten Image in Folge von Skandalen um gesundheitsschädliche Stoffe in Spielzeugen. Zudem machten der Branche steigende Arbeitskosten zu schaffen. Die Wirtschaftskrise verschärfte den Nachfragerückgang aus Europa und den USA zusätzlich.
"China, das ein exportorientiertes, merkantilistisches Wirtschaftssystem fährt, steht angesichts des weltweiten Einbruchs in der Exportfalle, ähnlich wie die Energie-produzierenden Staaten in der Falle des gesunkenen Ölpreises", sagt der Industrielle Hannes Androsch. Eine Umstellung auf eine auf Binnennachfrage ausgerichtete Wirtschaft lasse sich nicht über Nacht bewerkstelligen. Nicht einmal das chinesische Konjunkturpaket könne "da einfach den Hebel umlegen", so Androsch.
500 Milliarden Euro will die chinesische Regierung in die Ankurbelung der Wirtschaft pumpen. Das Geld soll dem Strukturwandel zu Gute kommen. Eisenbahnen und Straßen sollen gebaut und Umwelt-Investitionen getätigt werden. Der Nachteil: "Der Bau neuer Infrastruktur bietet in erster Linie Arbeitsplätze für Männer. Frauen bleiben auf der Strecke", hebt Wirtschaftsforscherin Urban hervor.
Höhere Wertschöpfung
Die medizinische Versorgung, die bisher privat zu bezahlen war, soll zudem vergünstigt werden, damit die Chinesen Geld ausgeben, anstatt es zu sparen, falls sie krank werden. Auch die Stahl-, Textil- und Autoindustrien werden gestützt, sowie der Maschinenbau. "Nur der Spielzeugindustrie wird nicht unter die Arme gegriffen", sagt Urban. Sie sieht darin das Bestreben, die Branche gesundzuschrumpfen.
Wenn es greift, könnte das Konjunkturpaket die chinesische Wirtschaft von der einfachen Lohnfertigung hin zur Hochtechnologie weiterentwickeln. "Die Umstrukturierungen gehen hin zu einer höheren Wertschöpfung. Man will etwa nicht nur Textilien nähen, sondern Kleider designen", sagt Urban. Für 2009 rechnet sie allerdings mit einem Minus-Wachstum bei Exporten. Sie erwartet einen Aufschwung frühestens Ende des Jahres "und nur dann, wenn auch das US-Konjunkturpaket greift."
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