Wien wächst in den nächsten Jahren rasant. Die nächste Stadtregierung muss die Weichen richtig stellen.
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Wien. Am Tag nach der Wahl beginnt der nächste Wahlkampf. Das ist zwar alte Kampagnenweisheit - und wäre doch fatal für die Stadt. Über Probleme sollte man nicht nur reden, sondern sie auch durch konkrete Politik lösen oder - noch besser - durch vorausschauendes Agieren gleich im Ansatz unterbinden. Aber man soll nicht vermessen sein.
Was sind die Probleme, welche die Politik bis zur nächsten Landtags- und Gemeinderatswahl 2020 angehen sollte? Das Gros der Herausforderungen ergibt sich aus zwei Umständen: Wien (und sein Umland!) wächst, und das rapide. Noch vor 2030 wird - die aktuelle Flüchtlingswelle nicht einberechnet - die Stadt die Zwei-Millionen-Grenze überspringen; zuletzt war das 1910 der Fall, damals war die Stadt allerdings das Zentrum eines 52-Millionen-Imperiums. Heute ist Wien die am schnellsten wachsende Stadt Mittel- und Osteuropas, wobei das Gros der Zuwanderung aus dem Ausland erfolgt. Derzeit leben knapp 1,8 Millionen Menschen in Wien. Und weitere rund 210.000 Menschen pendeln täglich in die Stadt zur Arbeit, der Großteil aus dem umliegenden niederösterreichischen und burgenländischen Umland.
120.000 Arbeitslose
Die starke Zuwanderung verschärft - und das ist die zweite große Herausforderung für die Wiener Politik - die ohnehin angespannte Lage am Arbeitsmarkt weiter. Im September 2015 stieg die Zahl der Arbeitslosen auf fast 120.000 Personen. Mit einem Plus von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist Wien damit der negative Spitzenreiter unter den Bundesländern. Österreichweit waren vergangenen Monat rund 400.000 Personen ohne Job gemeldet. Und der Trend ist auf absehbare Zeit steigend. Damit verbunden sind stark steigende Kosten für die Stadt im Bereich Sozialhilfe und Mindestsicherung.
Jobs, Jobs, Jobs (© Viktor Klima) sollte also das Motto der nächsten Stadtregierung lauten. Allerdings kann die Stadt dabei lediglich an kleineren Rädchen drehen, etwa Bürokratieabbau, Ansiedlungspolitik, Gebührenmanagement; der große Hebel liegt allerdings beim Bund (Lohnnebenkosten, Steuern, Arbeitsmarkt, Gros der Förderungen).
Nicht unwesentlich dabei: Neben möglichst vielen und hoch qualifizierten Arbeitsplätzen benötigt die Stadt dringend mehr Wohnraum für ihre wachsende Bewohnerzahl; noch zusätzlich verstärkt wird dieser Bedarf durch die sinkende Personenanzahl je Wohneinheit und den steigenden Raumbedarf pro Kopf.
Leistbarer Wohnraum
Bereits jetzt sind etliche Stadtentwicklungsgebiete definiert und in Umsetzung (siehe Grafik). Um Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal zu wiederholen, liegen die neuen Stadtgrätzel an Hauptachsen des öffentlichen Verkehrs, vorzugsweise an der U-Bahn. Mittlerweile hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass urbanes Leben doch nur dann in neue Viertel Einzug hält, wenn die Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit integriert sind und die nächste Öffi-Station ums Eck liegt.
Und apropos vergangene Fehler: Noch einmal wird sich die Politik die Versäumnisse bei der Integration ausländischer Zuwanderer eher nicht leisten können. Entsprechend werden Sprachkenntnisse und Ausbildungsplätze gefördert werden müssen.
All diese Projekte müssen allerdings auch finanziert werden. Knapp fünf Milliarden betragen derzeit die Schulden der Stadt Wien (ausgelagerte Betriebe nicht einberechnet); das ist einerseits ein Rekordhoch, worauf die Opposition hartnäckig hinweist, zugleich liegt die Schuldensumme bei vergleichsweise niedrigen sechs Prozent der Wirtschaftsleistung der Stadt, was die Stadtregierung ständig betont. Das Budget 2015 geht von 12,52 Milliarden Euro an Einnahmen und 12,74 Milliarden Euro an Ausgaben aus. Der Stabilitätspakt schreibt der Stadt für 2016 ein Nulldefizit vor, was angesichts der geplanten Investitionen und Kostenentwicklung allerdings schwer machbar scheint. Erst am Freitag hat Bürgermeister Michael Häupl im Interview mit der "Wiener Zeitung" ein Investitionspaket für die Stadt in der Höhe von zehn Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre angekündigt.
Vor diesem Hintergrund plädieren die Verantwortlichen der Stadt dafür, öffentliche Investitionen in die Infrastruktur - also Wohnen, Bildung, Soziales, Abfallwirtschaft, Verkehr - von den Maastricht-Kriterien der EU auszunehmen, die der öffentlichen Hand strenge Limits bei Budgetdefiziten und Schulden vorgibt. Auch vor diesem Hintergrund versprechen die Politik und die anstehenden Verhandlungen für einen neuen Finanzausgleich spannend zu werden.