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Johann-Strauß-Code zu Neujahr

Von Christoph Irrgeher

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Warum wird Wien am 1. Jänner zum Nabelpunkt der TV-Welt? - Weil die straußversierten Philharmoniker einfach ein tolles Konzert liefern? Ja, aber wohl nicht nur. Man könnte auch meinen, dass sich dieser Super Bowl der Klassik auch darum bei uns etabliert hat, weil Wien der ideale Austragungsort für Rituale zu sein scheint. Weil diese Stadt mit ihrem alten Glanz wie ein einziges Vergangenheitsritual wirkt. Wobei das Touristen-Image zwar trügen mag. Die Pausen- und Ballettfilme des Neujahrskonzerts arbeiten aber nicht gerade vehement dagegen an. Nun ja: Dem Wien-Tourismus wird’s schon nützen.

Zu dieser Vergangenheitstrunkenheit passt dann auch, wie das Konzert mit aktuellen Anlässen umgeht. Denn auch sowas wird prompt der Vergangenheit einverleibt. Immerhin: Das ist auch für Klassikfans heiter, weil ein teils harter Denksport. Warum der "Copenhagener Eisenbahn-Dampf Galopp" erklingt? Weil Dänemark 2012 den EU-Ratsvorsitz übernimmt. Der Grund für Johann Strauß’"Freuet euch des Lebens"? Weil das Stück bei einem Ball uraufgeführt wurde, den die Gesellschaft der Musikfreunde gab, welche nun 200-Jahr-Jubiläum feiert. Freilich, manches bleibt im Trüben: Ob die Polka "Feuerfest" erklingt, weil Dirigent Mariss Jansons einen Schwippschwager hat, dessen Feuerwehrstation demnächst 300. Geburtstag hat? Wer weiß. Um den jährlichen Johann-Strauß-Code lückenlos zu knacken, ließe sich jedenfalls ein neues TV-Format andenken - in dem ein Heinz Prüller der Klassik diesen Mysterien in "Sakrileg"-Manier nachhetzt. Wäre im Rahmenprogramm des Neujahrskonzerts erfrischend anders.