Amman - Mit den ersten Bomben auf den Irak würde das Nachbarland Jordanien von einer wirtschaftlichen Lebensader abgeschnitten. Lkw-Fahrer Ahmed befürchtet, dass er seinen Tanklastwagen schon bald abstellen kann. Fünf Mal im Monat pendeln er und sein Bruder zwischen der jordanischen Raffinerie bei Al Hashimiya und einer Ladestation etwa 300 Kilometer hinter der Grenze im Irak. Die rollende Pipeline ist seit Jahren eine Grundlage der jordanischen Wirtschaft.
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Jede Minute passieren Tankwagen mit jordanischen und irakischen Kennzeichen die Landstraße bei Amman in Richtung der silbrig glänzenden Anlagen, in denen das Erdöl verarbeitet wird. Aus den Flammrohren der Raffinerie steigen Feuer und Rauch auf. "Ich habe 27.000 Liter geladen. Wir fahren den Stoff, um den sich hier alles dreht", sagt Ahmed und lacht. Auf einem Parkplatz neben dem alten Mercedes-Laster kocht er Kaffee. "Etwa 8000 Lastwagen gibt es, die diese 1200 Kilometer lange Strecke bedienen. Es ist ein guter Job."
Der Irak ist seit dem Golfkrieg 1991 Versorger Jordaniens, das selber kein Öl fördert. Nach dem Überfall des Irak auf Kuwait hatte der damalige jordanische König Hussein eine Neutralitätspolitik versucht, wegen der Jordanien bei Saudiarabien und Kuwait in Ungnade fiel. Als diese dem an Rohstoffen armen haschemitischen Königreich den Öl-Hahn abdrehten, sprang das Regime von Präsident Saddam Hussein gern großzügig ein und liefert seitdem zu Vorzugskonditionen. Eine Hälfte des Öls gibt es geschenkt, die andere Hälfte wird zu Sonderpreisen verrechnet, überwiegend im Tausch gegen Warenlieferungen. Jordanien, das enge Beziehungen zu den USA pflegt, hat sich damit gleich in mehrfache Abhängigkeit zum Irak begeben. In seiner Energieversorgung ist es auf das Öl direkt angewiesen. Außerdem benötigt die jordanische Industrieproduktion - vor allem Pharmaprodukte, Chemiewaren und Nahrungsmittel - den Absatzmarkt im größeren Nachbarland. Der unter UNO-Embargo stehende Irak hat Jordanien zudem als Handelstor für internationale Geschäfte gewählt. Und nicht zuletzt: Mit kräftigen Verkaufssteuern auf das geschenkte Öl finanziert sich Jordanien.
Auch Ahmed lebt von dem Öl. Mit jeder seiner fünf monatlichen Fahrten in den Irak verdient er 190 jordanische Dinar - etwa 270 Euro. Davon muss auch der Tanklaster in Stand gehalten werden, der mehr als 30 Jahre alt ist. Den Kilometerzähler habe er abgestellt, sagt er. Sonst werde ihm Angst und Bange. "Wir haben zwei Lastwagen, sind fünf Brüder mit vierzig Familienabgehörigen. Ich bin gegen Bush und den Krieg, ich bin für das Geld und das Leben."
Ein von den USA geführter Krieg gegen das Nachbarland wäre für Jordanien nach den Worten von Wirtschaftsminister Samer Tawil ein "Desaster". "Ein Angriff auf den Irak würde für Jordanien sehr ernste Probleme schaffen", hatte das Regierungsmitglied erklärt. Auf die Industrie, den Fremdenverkehr und das Verkehrswesen würde sich ein Krieg verheerend auswirken.