Krankheit "nicht vereinbar mit engagierter Politik." | Pröll will seine Ämter geordnet übergeben. | Wien. "Schön, Sie alle wiederzusehen." Josef Pröll ist pünktlich. Eine Minute nach elf Uhr tritt er vor die Presse - alleine. Der Saal im Finanzministerium im 3. Bezirk ist gesteckt voll, 200 Journalisten und Ministeriumsmitarbeiter harren dem, was da kommt. Dabei ist es ohnehin allen klar: Der Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef zieht sich aus der Politik zurück.
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Spekulationen um die politische Zukunft Prölls gibt es spätestens seit dem 18. März. Damals wurde der 42-Jährige mit einer Lungenembolie in die Innsbrucker Uni-Klinik eingeliefert. Erst später wurde bekannt, dass es sich um einen beidseitigen Lungeninfarkt handelte. Hieß es zunächst noch, der Vizekanzler könne eine Woche lang keine Termine wahrnehmen, wurde dieser Zeitraum immer weiter hinauflizitiert: Zuerst war von zwei Wochen Kur die Rede, später hieß es, Pröll werde bis nach Ostern ausfallen.
Auch die Partei hat in den vergangenen Wochen eine schwere Zeit durchgemacht: Vom Krankenbett aus forderte Pröll Ernst Strasser zum Rückritt als Delegationsleiter im EU-Parlament auf. Ansonsten versuchte die Partei, die Brüsseler Lobbying-Affäre de facto führungslos zu managen. Dazu kamen interne Streitereien und ein seltsamer Aufritt von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, mit dem sie ihr gesamtes Haus gegen sich aufbrachte.
Gerüchte verdichteten sich am Dienstagabend
Am Dienstagabend dann verdichteten sich die Gerüchte: Die Prölls hätten einen Familienrat abgehalten, vermutlich werde er sich auf Drängen seiner Frau Gabi aus der Politik zurückziehen, hieß es da. Dies wurde von Teilen der Partei offen bestritten, von anderen schlicht nicht dementiert. Viele wussten nur, dass sie nichts wussten.
Mittwochfrüh um 8 Uhr war Prölls Rücktritt auch für den letzten Zweifler evident: In einer mit "eilt" betitelten Aussendung lud das Finanzministerium zu einer "Erklärung" des Ressortchefs ein. Bereits am Abend zuvor hatte Pröll die Parteispitze informiert. In der Früh rief er Klubchef Karlheinz Kopf, Generalsekretär Fritz Kaltenegger und die interimistische Parteichefin, Innenministerin Maria Fekter, zu sich und führte Telefonate mit Bundespräsident Heinz Fischer und Kanzler Werner Faymann.
Und dann sein letzter großer Auftritt vor der Presse: Der Lungeninfarkt sei eine Zäsur in seinem Leben gewesen. Nach intensiven Beratungen mit seinen Ärzten habe er feststellen müssen, dass die Risiken seiner Erkrankung "auf die Dauer nicht mit engagierter Spitzenpolitik vereinbar" seien. "Ich habe mich nicht gegen die Politik entschieden, sondern für meine Gesundheit und für meine Familie", erklärte der scheidende Vizekanzler.
Pröll nutzte seine Abschiedsrede für eine - zurückhaltende - Abrechnung mit der Innenpolitik und für ein wenig Selbstkritik.
Kritik an "Populismus und Opportunismus"
Trotz der Notwendigkeit großer Reformen etwa im Bildungsbereich "verharren wesentliche Teile der Politik in bequemem Opportunismus und kurzfristigem Populismus". Ein Mangel an Anstand einzelner Politiker, auch in der Volkspartei, habe das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik massiv beschädigt, sagte er in Anspielung auf Strasser.
Pröll lobte seine Arbeit, vor allem die Bewältigung der Wirtschaftskrise. Er versprach, seine Ämter geordnet zu übergeben. Dann drehte er sich um und ging. Zehn Minuten dauerte die Rede, Journalistenfragen waren nicht zugelassen.
Deren Manöverkritik fiel dennoch recht freundlich aus. Für Andreas Koller, Innenpolitik-Chef der "Salzburger Nachrichten", war der Auftritt "sehr gut". Pröll habe "für sich selbst die richtige Entscheidung getroffen". Auch Charles E. Ritterband von der "Neuen Zürcher Zeitung" fand die Rede "sehr gut."
"Parteipolitik purund sehr konventionell"
Weniger zufrieden war Anneliese Rohrer ("Die Presse"): "Es war Parteipolitik pur und wahnsinnig konventionell." Ärgerlich sei vor allem, dass "manche in der ÖVP so getan haben, als käme Pröll nach Ostern zurück - "das hätten sie sich wirklich sparen können". Pröll erspare sich durch seinen Rücktritt indes "eine Menge an politischen Problemen". Wie auch Ritterband hofft Rohrer auf eine größere Regierungsumbildung. Für die ÖVP sieht sie die Chance auf "einen wirklichen Neuanfang": Die Partei müsste Bandion-Ortner auswechseln und die Wiener Landesgruppe neu aufstellen - "und zwar jetzt". Aber "ich glaube, sie machen so weiter, wie bisher".
Wie die ÖVP weitermacht, wird der heutige Parteivorstand enthüllen.