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"Entscheidung für Gesundheit und Familie." | Noch keine Entscheidung über Nachfolge. | Wien. Josef Pröll verlässt die Politik, die ÖVP braucht damit einen neuen Obmann. Der Vizekanzler zog mit seinem Schritt die Konsequenz aus einem Lungeninfarkt, den er am 18. März erlitten hatte.
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Er könne nach seiner Erkrankung den Anspruch, den er an sich selbst gestellt habe, nicht erfüllen, erklärte Pröll bei einem eilig einberufenen Pressestatement im Finanzministerium Mittwochvormittag. Pröll erklärte, er bräuchte zur Bewältigung der Herausforderungen der Politik noch mehr Kraft als vor drei Jahren. Er verwies darauf, dass es "einen Mangel an Anstand einzelner Politiker" - auch in der ÖVP - gebe, das habe das Vertrauen in die Politik zutiefst geschädigt. - Eine Anspielung auf den Fall Ernst Strasser Keine Partei, auch nicht die ÖVP, könne das tolerieren.
Weiters beklagte Pröll einen "Stillstand" in der Politik, der das Vertrauen in die Politik "massiv" infrage stelle. Trotz zahlreicher Herausforderungen seien wesentliche Teile der Politik in Opportunismus und Populismus verhaftet. Um diese Probleme zu bewältigen würde eben noch mehr Kraft benötigen.
"Ich habe mich aufgrund meines beidseitigen Lungeninfarkts intensiv beraten." Sein Zustand sei mit der engagierten Spitzenpolitik nicht mehr vereinbar, begründete er seinen Rückzug.
Klare Worte
"Für mich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. (...) Die Entscheidung war schwer, aber sie ist richtig", sagte Josef Pröll bei seinem letzten großen politischen Auftritt.
Der scheidende Finanzminister machte in seinem Statement deutlich, dass es bei seinem Lungeninfarkt vor ein paar Wochen um sehr viel gegangen sei, nämlich um sein Leben.
Er habe mit "Freude und Leidenschaft" für seine Heimat und die europäische Idee gedient und "alles für die Partei gegeben", so Pröll.
Lungeninfarkt war Warnschuss
Pröll bezeichnete sein Wiedersehen mit der Medienwelt und seinen Mitarbeitern als nicht selbstverständlich. "Es ist schön, Sie alle wiederzusehen." Nach zwei Thrombosen und einem Lungeninfarkt sei das "nicht selbstverständlich". "Das war ein deutlicher Warnschuss und eine Zäsur in meinem Leben", so Pröll.
Er habe lange Zeit über seine Ziele und politische Arbeit nachgedacht. Österreich habe die Wirtschaftskrise gut bewältigt. Man habe "vieles eingesetzt - politisch, finanziell und persönlich". Österreich stehe gut da, die Arbeitslosigkeit gehe zurück. Die Wirtschaft ziehe an, der Euro sei stabilisiert. Dennoch sei vom Optimismus und Aufbruch zu wenig zu spüren. Das liege am politischen Stillstand und am fehlenden Anstand.
Die Politik stünde vor zahlreichen Herausforderungen. Alle wüssten, dass eine Gesundheitsreform nötig sei, die Pensionen gesichert werden, die Schulden abgebaut und das Bildungswesen reformiert werden müsste. Dennoch verharren wesentliche Teile der Politik in "Opportunismus und Populismus".
"Spannende Zeit"
Dennoch erklärte Pröll: "Ich verlasse die Politik mit Dankbarkeit." Es sei eine sehr spannende Zeit gewesen, so Pröll, der einige Punkte seiner Ministerkarriere hervorhob, etwa die Agrarreform 2003, die Steuerentlastung 2009 sowie die "Entscheidungen in der Bewältigung der Wirtschafts- und Eurokrise".
Wichtig sei ihm, ein geordnetes Haus, sowohl in der Partei als auch als Finanzminister, zu übergeben. Er verlasse die Politik nach acht Jahren mit Dankbarkeit, er könne aber nicht mehr seinem Anspruch gerecht werden, konsequent und engagiert für seine österreichische Heimat, die europäische Idee und seine Partei, für die er in den vergangenen drei Jahren alles gegeben habe, weiter zu arbeiten.
Er bedankte sich bei seinen Wegbegleitern, Mitarbeitern und besonders bei den Rettungskräften in Tirol, denen er sein Leben verdanke.
Fragen beantwortete der scheidende ÖVP-Parteichef im Finanzministerium, in dem sich an die 200 Zuhörer versammelt hatten, nicht. Er verließ nach seinem 15-minütigen Statement den Saal.
Spindelegger als Favorit
Über die Nachfolge von Josef Pröll als Parteichef ist in der ÖVP noch keine Entscheidung gefallen. Als Favorit gilt Außenminister und ÖAAB-Obmann Michael Spindelegger, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner werden eher nur Außenseiterchancen eingeräumt, da es in der Partei gegen den Wirtschaftsbündler größere Widerstände geben dürfte. Ebenfalls Außenseiterchancen als Pröll-Nachfolgerin werden Innenministerin Maria Fekter eingeräumt.
Als ziemlich sicher gilt jedenfalls, dass alle drei Ämter (ÖVP-Chef, Vizekanzler, Finanzminister) nicht wie gehabt von einer Person ausgeübt werden. Wirtschaftsminister Mitterlehner könnte Pröll als Finanzminister nachfolgen. Wohl nicht zufällig dachte er in einem Interview die Trennung der Posten von Vizekanzler und Finanzminister an.
Am Donnerstag wird am Vormittag der Parteivorstand zusammenkommen. Es ist aber nicht sicher, ob dort schon eine Entscheidung über die Nachfolge Prölls fallen wird. (APA/red.)
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